Magazine of Fantasy and Science Fiction 05 - Die Esper greifen ein
reichte ihm eine Schreibfeder, »da Sie nun schon hier sind ...«
McNamaras Fisch
Ron Goulart
Auf der anderen Seite des Zaunes fiel der Strand allmählich gegen das stille Meer zu ab. Max Kearny wartete, aber niemand erschien, um ihn vom Grundstück zu verweisen. Er stützte sich mit der einen Hand gegen die roten Zaunplanken und zog Schuhe und Socken aus. Dann band er die Schnürsenkel aneinander und hängte sich die Schuhe über die Schulter.
Der Sand war warm und von bunten Steinen und Muscheln durchsetzt. Max wanderte über die mit kurzem Gras und trockenen Büschen bewachsenen Dünen und hielt sich dabei parallel zum Wasser. Eine Möwe kam auf ihn zu, bog dann aber jäh aus, als überquere sie eine Straße, um ihm nicht zu begegnen. Die Brandung spülte über den Sand und zog sich wieder zurück, wobei sie im Sand kleine feuchte Einbuchtungen hinterließ.
Zwischen niedrigen Sandhügeln vom Wind geschützt stand eine Staffelei. Vor ihr flatterte der Bezug eines leeren Gartenstuhls sanft im Wind; dicht daneben stand ein hölzerner Malkasten im Sand. Max ging darauf zu und betrachtete das Gemälde. Das rauhe Leinengewebe zeigte mehrere Männer in roten Shorts, die sich an einer Reihe von Bäumen zu schaffen machten. Max lehnte sich weiter vor. Die Männer hängten anscheinend Harztöpfe auf. Im Hintergrund fuhr zwischen den dünnen, geraden Baumstämmen ein einspänniges Fuhrwerk hindurch.
Max wandte sich von dem Bild ab und zündete sich eine Zigarette an. Gestern hatte er in einer neueren Kunstgalerie Hollywoods eine ganze Wand voll Bilder wie dieses hier gesehen. Sie stammten von jemandem, der mit Tante Jenny unterzeichnete, und kosteten tausend Dollar pro Stück. Tante Jennys bevorzugtes Motiv waren Harztöpfe.
»Hallo, Max.«
Max blickte sich um. Dicht neben dem Bild stand Joan McNamara. Sie war ein hochgewachsenes blondes Mädchen, jetzt war sie tief gebräunt, und sie trug weiße Shorts und eine blaue Bluse. »Ich sah eine Staffelei«, sagte Max, »und dachte mir, es wäre vielleicht deine.«
Joan runzelte die Stirn. »Wie kommst du denn darauf?«
»Du bist doch noch immer Künstlerin, oder?«
»Ja«, gab sie lächelnd zu. »Nett, dich zu sehen, Max. Wie lange ist es nun schon her – zwei Jahre?«
»Seit du und Ken von San Francisco hierher gezogen seid.«
»Bist du noch immer bei derselben Agentur?« Joan ließ sich auf dem Stuhl nieder und drehte ihn so, daß sie Max anblickte.
»Ja. Deshalb bin ich ja auch hier. Um aufzupassen, wie sie ein paar Werbespots aufnehmen, für die ich den Text gemacht habe.« Er ließ seine Schuhe in den Sand fallen. »Du sagtest, du möchtest etwas mit mir besprechen.«
»Ich war so froh, als du uns anriefst und sagtest, du würdest für eine Woche herunterkommen. Hast du noch immer dein Hobby?«
»Die Sache mit dem Okkultismus?« fragte Max. »Ja, noch immer.«
Ein Tor fiel krachend zu, zwei Leute erschienen und kamen auf Joan und Max zu – ein großer junger Mann mit weißen Hosen und einem gemusterten Pullover und eine alte Frau in einem geblümten Seidenkleid. Ihr Haar war hellblau gefärbt, darauf trug sie eine LA-Dodgers-Baseball-Kappe.
»Mrs. Willsey und Val«, stellte Joan vor. »Dies ist unser Freund, Max Kearny. Auch er ist Künstler. Max – Mrs. Willsey und ihr Sohn, Val Willsey.«
Max schüttelte Val die Hand.
»Mutter ist Tante Jenny«, erklärte Val, grinsend auf das halbfertige Bild deutend.
»Ich habe Ihre Arbeiten gesehen«, sagte Max.
»Malen Sie auch?« fragte Mrs. Willsey und setzte sich auf den Stuhl, den Joan ihr angeboten hatte.
»Nein«, antwortete Max. »Ich bin nur der erste Graphiker einer Werbefirma.«
»Ich habe nie einen Pinsel berührt, bis ich über dreiundvierzig war«, erzählte Mrs. Willsey. »Und das war vor mehr Jahren als mir lieb ist. Jetzt male ich wenigstens drei Bilder in der Woche.«
»Im nächsten Monat hat Mutter eine Ausstellung in der Alch-Galerie in Lacienega – ganz allein.«
»Zuerst habe ich einfach bunte Fotos aus den Magazinen abgemalt«, erklärte Mrs. Willsey. »Einmal kopierte ich sogar die Schöpfung der Welt aus ›Life‹. Jetzt verwende ich allerdings meine Kindheit als Thema. Man sollte malen, was man kennt.«
Joan ergriff Max beim Arm. »Max wird das Wochenende über bei Ken und mir bleiben. Ich kann mir vorstellen, daß du gern was trinken möchtest, Max, nachdem du den ganzen Tag lang von Hollywood hierher nach Osodoro Beach gefahren bist.«
»Gern«, stimmte Max
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