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Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden

Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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etwas: Mutter würde mir niemals vergeben.
    VATER: Laß deine Mutter aus dem Spiel!
    SOHN: Warum? Übrigens, wenn du wirklich die ganzen 10 Jahre lang Vergessen gesucht hast, warum hast du dann nicht Mutter gebeten, dich zu zerstören? Oder sie wenigstens veranlaßt, dich wegzupacken, wo du vielleicht etwas wie Vergessen oder Erlösung gefunden hättest? Oder warum hast du sie nicht aufgefordert, dich an andere Leute weiterzugeben, die dich entweder zerstört oder für eine abwechslungsreichere Umgebung gesorgt hätten, in der du ein interessanteres Schatten dasein führen könntest.
    VATER: Mein Sohn, es ist mir nie gelungen, deiner Mutter die Dinge so klar darzulegen. Seltsamerweise war sie, je mehr sie sich mir anpaßte, immer weniger mit mir in Berührung. Sie war so nah bei mir und doch so weit von meiner Art entfernt wie ... meine Gallenblase. Ich habe versucht, mit ihr zu sprechen, aber sie hört mich nicht. Ich glaube nicht, daß sie meine Selbstporträts überhaupt noch sieht, sondern nur ein Bild von mir – ihre eigene Schöpfung übrigens – das fest in ihrem Gedächtnis haftet. Aber du, du hör mich endlich an. Und ich sage dir: Vernichte uns!
    VATER (als Gipskopf des Don Juan vom Studio her rufend): Denk an den hitzigen, ungestümen Charmeur, der in der eisigen, aufrechten Statue gefangengehalten wird. In zehn Jahren nur drei Mädchen erspäht! Vernichte uns!
    VATER (als der gemalte Leonardo): Du hattest immer Angst, zu handeln. Ich nicht! Ich habe mich immer ausgedrückt, selbst in diesen miserablen Selbstporträts. Jetzt bist du an der Reihe. Deine Gelegenheit ist gekommen. Vernichte uns!
    VATER (als Peer Gynt): Wirf mich zurück in den Schmelztiegel. Löse mich auf!
    VATER (als Beethoven): Schlag einen mächtigen, heilenden Mißklang an!
    VATER (als Jean Valjean): Brich das Gefängnis auf!
    VATER (als St. John the Divine): Entfessele die Apokalypse!
    VATER (ein gedämpfter Chor von Fotografien): Zerbrich unser Glas, zerreiß uns, berühre uns mit einem Streichholz. Vernichte uns!
    VATER (alle 237, im Hintergrund die gedämpften Stimmen der Eingesperrten): Vernichte uns!
    SOHN (er hebt den Feuerhaken ein drittes Mal, läßt ihn wieder mit einem Lächeln zu Boden sinken, sein Benehmen ist plötzlich frei und ungehemmt): Nein. Warum sollte ich mich durch einen Haufen alter Bilder und Skulpturen aufregen lassen, selbst wenn sie sprechen? Was hätte ich davon, wenn ich sie zerstörte? Und warum sollte ich mich durch einen toten Vater einschüchtern lassen, selbst wenn er auf verschiedene obskure Weisen weiterlebt? Das ist ja lächerlich!
    VATER (wieder als King Lear): Hast du den Respekt vor uns verloren? Bist du nicht wenigstens von übernatürlichem Schrecken erfüllt wegen der Vorfälle dieses Morgens?
    SOHN (den Kopf schüttelnd): Nein. Ich glaube, es ist die Folge von zu vielem Alkohol, der meine Sinne verwirrt. Und wenn du es wirklich bist, Vater, wenn du wirklich von irgendwoher auf irgendeine Weise mit mir sprichst, so glaube ich, daß du mir nichts Böses willst, und deshalb fürchte ich mich nicht. Und endlich, um mit dir ganz ehrlich zu sein, glaube ich nicht wirklich, daß du zerstört werden willst, Vater, auch nicht als Bildnis – oder vielmehr als Bildnisse. Ich glaube, du wolltest nur einmal deine Gefühle loswerden, vor allem wolltest du deine Langeweile überwinden.
    VATER (als Peer Gynt, mit einem unerforschlichen Lächeln, vielleicht aus Erleichterung, vielleicht aus Triumphgefühlen heraus, vielleicht aus Resignation): Nun, wenn du dich nicht dazu bringen kannst, uns zu zerstören, dann muntere wenigstens dieses alte Haus etwas auf, und vor allem auch dein eigenes Leben.
    SOHN (mit einem Nicken): Da ist etwas dran, Vater.
    VATER: Wenn du nicht die Initiative ergreifst – und auch dein Trinken nicht etwas einstellst –, werden wir uns wahrscheinlich eines Morgens oder eines Nachts wieder zu unterhalten beginnen, und bestimmt nicht vergnügt oder geistig normal. Deshalb rate ich dir, etwas zu unternehmen.
    SOHN (ernst): Ich werde daran denken, Vater.
    VATER (vom Studio her als Don Juan rufend): Lade ein paar – (die Stimme bricht abrupt ab).
    SOHN (blickt die Porträts der Reihe nach an. Sie sind plötzlich ganz unbeweglich geworden. Nirgends kann er eine Bewegung an ihnen entdecken. Die Haustür öffnet sich, und seine Mutter kommt erregt mit einem geöffneten Brief in der Hand herein.)
    MUTTER: Francis, ich habe gerade eine höchst interessante Anfrage erhalten. Die Merrivale

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