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Magazine of Fantasy and Science Fiction 07 - Musik aus dem All

Magazine of Fantasy and Science Fiction 07 - Musik aus dem All

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 07 - Musik aus dem All Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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Der Dichter Constantine Alexeëvitch Rusanov hätte nicht sagen können, was ihn da zu trieb, am Silvesterabend die Einsamkeit zu suchen. Er verspürte nicht den Wunsch, über Poesie nachzudenken. Vielleicht war das traurig – ein Zeichen des Alters – denn dieses neue Jahr war das sechzigste in Rusanovs Leben.
    Rusanov schritt langsam weiter. Er lauschte dem Knirschen des Schnees unter seinen Schuhsohlen. Neben dem Pfosten einer Straßenlaterne sah er eine Schneeburg, die in dem elektrischen Straßenlicht wie ein Hügel aus reinen Diamanten glitzerte.
    »Sie ist noch nicht ganz fertig«, stellte er fest und bemerkte dicht daneben den Schlitten und die Schaufel eines Kindes. Plötzlich überkam ihn der absurde Wunsch, die Festungsmauer zu vollenden. Das sollte eine Neujahrsüberraschung für die Kinder sein.
    Rusanov beugte sich nach vorn, um die kleine Schaufel aufzuheben, doch in diesem Augenblick bekam er von hinten einen Stoß. Er fiel in den Schnee und hörte das Geräusch zerbrochenen Glases. Jemand hinter ihm rief:
    »Oh! Bitte entschuldigen Sie!«
    Im Ton der Stimme lag so viel Verlegenheit, daß Rusanov nicht ärgerlich sein konnte. Ein paar Hände halfen ihm wieder auf die Füße. Ein schlankes Mädchen in einer grünen Sportjacke stand vor ihm. Verwirrt blickten ihre Augen ihn an.
    »Bitte entschuldigen Sie, es tut mir wirklich sehr leid«, stammelte sie.
    Vorsichtig ging sie um Rusanov herum und hob ein kleines Paket auf, das dicht neben dem Laternenpfahl auf dem Boden lag.
    »Zerbrochen ... glaube ich ...«, sagte das Mädchen traurig. Rusanov hatte Mitleid mit ihr. »Was haben Sie da?« fragte er.
    »Eine Fotoplatte«, erklärte sie, »ein Negativ ... und ich bin damit gegen den Pfahl gestoßen.«
    Das Mädchen öffnete das Paket. Ein höchst seltsames Negativ, dachte er, denn er sah einen schwarzen Hintergrund und darauf einen hellen Streifen, der mit dünnen schwarzen Linien durchzogen war.
    »Was ist das?« fragte Rusanov verwundert.
    »Ein Spektrum. Dies ist das Spektrum des Sternes Procyon. Verstehen Sie?«
    Interessiert blickte Rusanov das Mädchen an.
    Ungefähr sechzehn, dachte er, berichtigte sich aber sofort: Nein älter! Vielleicht fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig ...
    »Hören Sie«, sagte er, »wohin wollten Sie mitten in der Nacht mit diesem Foto?«
    »Zum Telegrafenamt«, erwiderte das Mädchen. »Es ist eine große Entdeckung.«
    Rusanov lachte nachsichtig. Er liebte unerwartete und ungewöhnliche Zusammentreffen. Seine Stimmung wurde plötzlich besser.
    »Eine Entdeckung?« fragte er.
    »Ja, Constantine Alexeëvitch, ich habe Sie sofort erkannt.«
    Rusanov lachte.
    Mißtrauisch blickte ihn das Mädchen an. Sollte sie es ihm erzählen oder besser nicht?
    »Sehen Sie«, begann sie, »ich habe das Spektrum von Procyon ausgewertet ... aber wissen Sie überhaupt über Spektren Bescheid? Warten Sie einen Moment, ich werde Ihnen alles erklären.«
    Rusanov verstand den Sinn ihrer etwas verworrenen Geschichte nicht sofort. Sie sprach sehr schnell, und ab und zu fragte sie: »Sind Sie sicher, daß Sie es auch verstehen?«
    Sie hielt sich bei ihrer Erzählung nicht an die chronologische Reihenfolge, und Rusanov konnte vieles nur ahnen.
    Es schien, daß sie sich schon für Astronomie begeistert hatte, als sie noch in die Oberschule gegangen war. Nachdem sie an der Moskauer Universität ihre Prüfung in Physik abgelegt hatte, hatte sie eine Arbeit an dem Observatorium in Sibirien angenommen.
    Dort wurde sie ihrer ersten Illusionen beraubt: Anstatt welterschütternde Entdeckungen zu machen, mußte sie sich mit der langweiligen und anstrengenden Arbeit beschäftigen, Stellarspektren zu klassifizieren.
    Nach vier Monaten glaubte sie, eine Entdeckung gemacht zu haben, aber der Direktor des Observatoriums hatte trocken erklärt, daß es ein Irrtum war.
    Drei Monate später der zweite Freudentaumel und ... ein neuer Irrtum, wieder eine Illusion zerstört.
    Monate vergingen. Arbeit, Arbeit und immer mehr Arbeit. Nicht die geringste Abwechslung. Zahllose Fotografien von Sternspektren, Rechnungen, Klassifikationen. Und nicht eine einzige Entdeckung. Es schien, als würde ihr ganzes Leben auf diese monotone Art zu Ende gehen. Und plötzlich ...
    »Am Anfang«, fuhr sie fort, »müssen Sie wissen, konnte ich es selbst kaum glauben. Es ist gewiß nicht schön, wie zu einem Kind immer wieder zu sagen: ›Du mußt arbeiten, aber nicht träumen ...‹ Ja, aber es war klar. 350 Spektren von Procyon lagen vor

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