Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt
Heldentaten kam. Es war ein außerordentliches Ereignis gewesen und hatte seine ganzen Kräfte in Anspruch genommen. Er kicherte bei der Erinnerung an das seltsame Vergnügen, das es ihm bereitet hatte, als Edith ihn in ihre weichen Hände genommen hatte, als sie ihn ihren skeptischen Kollegen vorführte, um ihnen zu beweisen, was eine intelligente Ratte mit entsprechender Reaktivierung zu leisten vermochte – sie nannten es übrigens: Dressur durch Herausforderung und Belohnung. Wie alle Genies war Fred Eins nicht frei von Träumen, und sein liebster war der, während der Nacht in den Büchergestellen der Bibliothek zu wühlen, in den gesammelten Bänden des Journals für vergleichende Psychologie von Lister und Powers zu blättern, vor allem in der Artikelserie: »Positive Reaktivierung und gesteigerte Frustration in einer Gruppe von geschlechtlich isolierten männlichen Ratten«. Isoliert! Fred Eins kannte die Einstellung der Menschen und beklagte sich nicht mehr darüber: eine Ratte, das bedeutete den Menschen Seuchen, Fruchtbarkeit oder Leben in Kellern und Kanälen. Aber warum sollte man die Art der Isolierung überhaupt erwähnen, wenn man in einem Käfig eingesperrt war? Fred bedauerte im Grunde nicht das Fehlen der Freiheit – zu hungern, gefangen und getötet zu werden. Er bedauerte das Gefängnis der Trägheit, des Nichtstuns – in einer Ecke im Souterrain aufbewahrt zu werden, gefüttert zu werden, aber niemals wieder ... Belohnung? Nein – es war eher eine Herausforderung. Es waren nicht die Leckerbissen gewesen, die ihn veranlaßt hatten, durch die Gänge des Irrgartens zu rasen – im Gegenteil, oft hatte er sie kaum herunterwürgen können. Es war vielmehr das Mädchen mit den großen Augen und ihrer tickenden Uhr, die triumphierende Röte, die ihr Gesicht überzog, wenn sie den Zeiger stoppte und er seine beste Zeit gelaufen war. Fred Eins war sehr enttäuscht gewesen, als er nicht für den nächsten Versuch ausgewählt wurde – es war die Phase 2 des gleichen Experiments gewesen, in dem eine ganze Kolonie von zwölf Käfigen sechs Wochen lang mit Spielzeug, Licht und verschiedenen Irrgärten getestet wurde. Ein Spielzeug wünschte er besonders gern in die Hände zu bekommen – vielmehr in die Pfoten! – Ein uhrwerkartiges Ding, das man ... aber, das war nicht so wichtig, und es machte auch nichts, daß alle an diesem Experiment beteiligten Ratten später sterben mußten, da ihre Hirne für spätere Untersuchungen herausseziert wurden. Wenn Fred Eins der Welt etwas mitzuteilen hatte, so war es das, daß sich jeder seiner Art gern opfern ließ, und wenn er noch etwas zu sagen hatte, so war es, daß er sich auch weiterhin gern mit seiner Isolierung abfinden wollte, bis Rattus rattus ausgestorben war – wenn man ihn nur lernen ließ!
»Was ist los, Eins?« Fred Zwei schob sich näher heran und betrachtete mit forschender Miene Eins, um herauszufinden, weshalb dieser unzufrieden war.
»Nichts, es ist alles in Ordnung. Ich dachte nur gerade ... Magst du Käse, Zwei?«
»Nicht sehr. Ich mag Getreide. Ich mag ...«
»Also gut, dann eben Getreide. Ich erinnere mich an einen der Versuche, in dem wir alle zum Ausdruck bringen sollten, ob wir eine bestimmte Art von Nahrung vorzögen. Getreide stand mit zur Auswahl. Wir befanden uns in verschiedenen Käfigen. Und nachdem wir unsere Wahl getroffen hatten, wurden die verschiedenen Nahrungsmittel über den Metallboden gestreut und die Nahrung, die jeder von uns gewählt hatte, wurde mit einer elektrisch geladenen Metallunterlage umgeben. Man konnte eins von drei Dingen tun: sich mutig in das elektrische Feld wagen, um zu der Lieblingsnahrung zu gelangen; man konnte sich auch für etwas anderes entscheiden, was man nicht so gern mochte, oder man konnte versuchen, herauszufinden, wie man zu seiner Lieblingsnahrung gelangen konnte, ohne einen Schlag zu erhalten. Damals war ich zum erstenmal Fred Eins.«
»So?«
»Nun, was glaubst du wohl, was wir taten?«
»Ich weiß nicht. Wie fühlen sich diese Schläge denn an?«
»Sie sind nicht angenehm. Aber man kann sie aushalten.«
»Na, ich weiß nicht. Ich schätze, es hängt ganz davon ab.«
»Das ist keine Lösung.«
»Na, was sonst?«
»Wir überlegten hin und her und trafen dann eine Verabredung. Jeder von uns wählte die Nahrung, die er nicht mochte. Diese schützten die Menschen dann durch elektrische Spannung. Dann gaben wir uns scheinbar mit dem Nächstbesten zufrieden. So erhielten wir eine
Weitere Kostenlose Bücher