Magazine of Fantasy and Science Fiction 17 - Grenzgänger zwischen den Welten
entlang und warf scharfe Blicke in jede Arbeitszelle. Er runzelte irritiert die Stirn, als er Gus sah.
»Dafür ziehe ich Ihnen eine halbe Stunde Arbeitszeitgutschrift ab Addison! Und wenn ich Sie noch einmal außerhalb Ihrer Zelle erwische, können Sie sich auf eine unangenehme Überraschung gefaßt machen. Leute mit ihren Qualifikationen sind leicht genug zu finden!«
»Das kommt nicht wieder vor, Mister Aronski«, murmelte Gus betroffen. »Bestimmt nicht, Sir.«
Um acht Uhr abends ertönte der Summer, der das Ende der Schicht anzeigte. Gus drängte sich mit seinen Arbeitskollegen zum Ausgang, zwängte sich in den Wagen Nummer achtundneunzig und blieb dort unbeweglich stehen, während der Wagen durch die unbeleuchteten Tunnels schoß und alle zwölf Sekunden hielt, um Arbeiter aussteigen zu lassen. Dann stieg er in einen Expreßfahrstuhl um, der ihn zwölfhundert Meter weit senkrecht nach oben beförderte, bis er endlich das richtige Stockwerk erreicht hatte. In dem achtzig Zentimeter breiten Korridor hing ein farbenprächtiges Plakat, auf dem ein streng dreinblickender Auswanderungsbeamter forderte: »ERFÜLLT EURE BLOCKQUOTE!« Gus schloß die Tür auf und wäre fast zurückgeprallt, als ihm der vertraute Mief entgegenschlug, der sich wie ein Ölfilm über alles zu legen schien.
»Augustus«, sagte seine Mutter vom Ende des Flures aus, wo sie das Essen auf einem winzigen Wandvorsprung zubereitete, der für diesen Zweck vorgesehen war. »Ich habe eine Überraschung für dich! Kartoffelschnitzel und Vanillepudding!«
»Danke, ich bin nicht hungrig.«
»Abend, mein Junge.« Sein Vater streckte den Kopf aus seiner Arbeitszelle. »Kann ich den Pudding haben, wenn du nicht hungrig bist? In letzter Zeit knurrt der alte Magen ziemlich oft.« Er rülpste laut, als wolle er damit das Gesagte unterstreichen.
Einen Meter vor Gus' Gesicht bewegte sich der Vorhang der Umkleidenische, dann wurde ein rosa Busen sichtbar und verschwand wieder. Gus fühlte sein Herz rascher schlagen. Er wandte sich rasch ab und sah das erboste Gesicht des kleinen Mannes vor dem Waschbecken, das in die Wand eingelassen war.
»Was gaffst du schon wieder, du junger ...«
»Sie soll gefälligst den Vorhang zuziehen, Onkel Fred«, knurrte Gus.
»Das ist wieder typisch für die heutige Jugend! Nicht einmal deine eigene Tante ist vor dir sicher!«
»Gus hat gar nichts getan«, sagte eine unsichere Stimme hinter ihnen. »Bei mir versucht sie es auch immer.«
Gus drehte sich zu seinem Bruder um – der Junge war unterernährt, schwächlich und hatte eine schlechte Haut. »Vielen Dank, Len. Aber die anderen können denken, was ihnen Spaß macht. Ich gehe fort. Ich bin nur noch einmal gekommen, um mich zu verabschieden.«
Len riß die Augen auf. »Du ... gehst ... fort?« wiederholte er.
Gus sah seinem Bruder nicht ins Gesicht. Er wußte genau, was er dort sehen würde: Bewunderung, Liebe und Verzweiflung. Und er hatte nichts dafür zu geben.
Seine Mutter durchbrach das allgemeine Schweigen. »Augustus«, sagte sie rasch und mit gespielter Fröhlichkeit, als sei nichts geschehen, »ich habe mir vorher überlegt, daß Vater und du heute abend zu Mister Geyer gehen könntet. Vielleicht empfiehlt er dich doch zur Ausbildung in Klasse C ...«
Vater räusperte sich. »Ada, du weißt doch, daß wir alles schon oft genug ausführlich besprochen haben ...«
»Vielleicht hat sich etwas geändert ...«
»Daran ändert sich nie etwas«, unterbrach Gus sie scharf. »Ich bekomme nie einen besseren Job, bekomme nie eine eigene Wohnung und kann nie heiraten. Dazu ist einfach nicht Platz genug.«
Vater runzelte die Stirn und verzog nachdenklich den Mund, was aber nur komisch wirkte. »Hör zu, mein Junge ...«, begann er.
»Lassen wir das«, sagte Gus. »Ich verschwinde gleich, und dann habt ihr alles für euch – auch den Vanillepudding.«
»Mein Gott!« Gus beobachtete angewidert, daß seine Mutter sich tatsächlich Tränen aus den Augen wischte. »Du mußt ihn davon abbringen, George«, schluchzte sie. »Er will ... dort hinaus! «
»Du meinst ...« Vater zog die Augenbrauen in die Höhe. »In die Kolonien , meinst du?«
»Natürlich meint er das!« warf Len ein. »Gus, du willst nach Alpha auswandern!«
»Also, ich melde mich bestimmt niemals freiwillig.« Onkel Fred schüttelte den Kopf. »Dazu habe ich schon zu viele Geschichten gehört ...«
»Augustus, ich habe erst neulich darüber nachgedacht«, mischte seine Mutter sich wieder ein,
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