Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit
hatte.
Sobald ich wieder große Bäume vor mir hatte, kam ich schneller voran. Der Boden sank zum See hin etwas ab, und das Unterholz war hier weniger dicht. Dann sah ich ein Glitzern, das Wasser im Licht des inzwischen aufgegangenen Mondes zu sein schien. Ich trat zwischen den letzten Bäumen ins Freie und sah den Musky Lake vor mir.
Ich blieb lange stehen und glaubte Stimmen zu hören, die mir von damals erzählten, als sei seitdem kaum Zeit vergangen. Von hier aus waren weder die Gebäude des Militärlagers noch der umzäunte Palast zu sehen; hier lag nur der See vor mir, und ich sah links die kleine Landzunge, auf der Frazier und ich das kleine Blockhaus im ersten Sommer nach dem Krieg gebaut hatten. Ich sah genauer hin, weil ich dachte, die Schatten unter den großen Bäumen hätten mich getäuscht, aber ich hatte mich nicht geirrt. Das Blockhaus stand noch immer dort.
Ich folgte dem Fußweg am Ufer entlang und hatte dabei das Gefühl, daß ich mich nur in den Arm zu kneifen brauchte, um aufzuwachen und zu erkennen, daß alles nur ein Traum war. Ich näherte mich dem Blockhaus von rechts auf dem Weg, den wir früher benützt hatten, wenn wir von der Jagd in den Wäldern zurückkamen, und selbst das Melonenbeet war noch da – etwas von Unkraut überwuchert, aber im Mondschein deutlich erkennbar. Dann lag der Landesteg vor mir, und ich sah unser altes Glasfiberboot mit dem Heck am Ufer liegen, wie ich es immer verankert hatte. Ich mußte mich beherrschen, um nicht einen lauten Schrei auszustoßen; dann würde Frazier mit einer Flasche in der Hand an die Tür kommen und mir zurufen, ich solle mich beeilen, die Gläser seien bereits gefüllt ...
Ich kam mit schußbereiter Pistole heran, machte einen weiten Bogen um das Blockhaus, kam von der anderen Seite an den Eingang zurück und sah auf den See hinaus. Und dann fiel es mir plötzlich ein.
Es war einer der denkwürdigen Tage, an die man sich noch nach Jahren erinnert: ein heißer Tag mit einer leichten Brise, die den See kaum bewegte, so daß die Fische aus der Tiefe nach oben kamen, um nach den dicken Fliegen zu schnappen, die der Wind zu ihnen hinaustrug. Frazier und ich hatten das halbe Boot voll, bevor der Wind einschlief und die Fische nicht mehr anbissen. Die beiden Mädchen – Gwen und Rosanne – hatten den Tisch bereits gedeckt, bis wir die Fische, die wir nicht gleich essen konnten, in die Tiefkühltruhe gepackt hatten. Nach dem Abendessen gingen wir ans Ufer, setzten uns unter die Bäume und tranken die Flasche leer – die dritte Flasche an diesem Tag. Wir lachten alle darüber: das dritte Fünftel am vierten Juli.
Vor dem Blockhaus befand sich ein riesiger Baumstumpf. Wir zählten die Jahresringe: zweihundertsiebenundvierzig. Dann bestatteten wir den ›toten Soldaten‹ mit vollen militärischen Ehren darunter ...
Ich brauchte kaum zehn Minuten, um den Baumstumpf zu finden, Laub und Erde mit beiden Händen zur Seite zu schaufeln und die Flasche aus ihrem Versteck zwischen den Wurzeln herauszuholen. Das Etikett hatte sich längst abgelöst, und der Schraubverschluß war durch einen Pfropfen aus wachsartigem Material ersetzt worden, aber es schien die gleiche Flasche zu sein. Ich hielt sie hoch und sah ein Stück Papier hinter dem braunen Glas.
Mein Mund war plötzlich wie ausgetrocknet, und meine Hand, in der ich die Flasche hielt, zitterte kaum merklich, aber ich hatte ansonsten nur das Gefühl, endlich wieder einen Schritt auf meinem Weg weitergekommen zu sein. Ich versuchte das Siegelwachs zu entfernen, gab den Versuch dann auf und zerschlug die Flasche an einem Stein.
Auf dem zusammengerollten Zettel stand nur ein Wort: JAGUARHÖHLE.
Ich kletterte eine halbe Stunde durch dichtes Unterholz und über steile Felsen die Ostseite des Tals hinauf, wo der Hügel fünfzig Meter höher und vor allem felsiger als an den übrigen Seiten war. Hier gab es Dutzende von großen und kleinen Höhlen, die Frazier und ich zu unserem Vergnügen erforscht hatten. Dabei waren wir auf eine Höhle gestoßen, in der ein Raubtierskelett lag, das wir für das Skelett eines Jaguars gehalten hatten. Deshalb war die Höhle für uns die Jaguarhöhle, obwohl dort vermutlich nie ein Jaguar gewesen war.
Ich erreichte das Felsband, das zu dieser Höhle führte, kaum zehn Minuten später, blieb dort nochmals stehen und sah mich vorsichtig um. Hier schien sich nichts verändert zu haben.
Im Innern der Höhle roch es feucht und modrig. Ich mußte mich bücken, um
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