Magazine of Fantasy and Science Fiction 25 - Planet der Selbstmörder
hatte jedoch panische Angst vor seinem Vorgesetzten Ra Chen.
»Bisher ist noch niemand so weit in die Vergangenheit zurückgereist«, hatte Ra Chen ihm am Abend vor dem Start erklärt, als Svetz nicht mehr zurücktreten konnte, ohne sich zu blamieren. »Denken Sie immer daran, Svetz! Sollte etwas schiefgehen, dürfen Sie nicht auf Ihre Vorschriften vertrauen. Verlassen Sie sich auch nicht nur auf Ihre Instrumente. Strengen Sie lieber Ihren Verstand an. Ihren Kopf, Svetz. Das ist natürlich wenig genug ...«
In der letzten Nacht vor dem Start hatte Svetz kaum ein Auge zugetan.
»Sie haben vor Angst fast die Hosen voll«, behauptete Ra Chen, als Svetz in die Kapsel klettern wollte. »Und Sie bringen es fertig, trotzdem den Mutigen zu spielen, Svetz. Ich weiß als einziger, was in Ihnen vorgeht, glaube ich. Deshalb habe ich Sie auch für diese Reise ausgewählt – Sie lassen sich nichts anmerken und starten trotzdem. Aber kommen Sie ja nicht ohne ein Pferd zurück ...«
Die Stimme des Direktors wurde lauter, immer lauter. »Nicht ohne ein Pferd, Svetz! Benützen Sie Ihren Kopf , Svetz, Ihren KOPF ...«
Svetz fuhr erschrocken auf. Die Luft! Er würde langsam sterben, wenn er bei offener Luke weiteratmete! Aber die Luke war verriegelt, und Svetz hockte auf dem Fußboden und hielt sich seinen heftig schmerzenden Kopf.
Die Anlage zur Luftversorgung der Kapsel war aus einem marsianischen Sandboot ausgebaut worden. Ihre Instrumente zeigten normale Werte an, weil die Kapsel luftdicht verschlossen war.
Svetz gab sich einen Ruck und öffnete rasch die Luke. Während die würzige, sauerstoffreiche Luft des Englands des zwölften Jahrhunderts in die Kapsel strömte, hielt er den Atem an und beobachtete, wie sich die Anzeigewerte der Instrumente veränderten. Dann knallte er die Luke wieder zu und wartete schwitzend darauf, daß die Luftversorgungsanlage diesen Gifthauch durch die gewohnte Normalatmosphäre des Jahres 1100 n. A. ersetzte, was prompt geschah.
Als Svetz wenig später erneut die Kapsel verließ, nachdem er den Flugstock ins Freie geschoben hatte, trug er ein weiteres Nebenprodukt der Raumfahrtindustrie. Er hatte sich eine Plastikkugel über den Kopf gestülpt, die als Selektivmembran wirkte, indem sie nur für bestimmte Gase durchlässig war, um auf diese Weise ein atembares Gemisch im Innern der Kugel zu erzeugen.
Diese Plastikkugel war fast unsichtbar. Nur am Rand, wo sich das Licht brach, war die Kugel als goldener Kreis erkennbar, der über seinem Kopf zu schweben schien. Die Kugel wirkte dadurch fast wie ein Heiligenschein auf mittelalterlichen Altarbildern. Aber Svetz wußte nichts von mittelalterlichen Gemälden.
Er trug außerdem ein schlichtes weißes Gewand, das in losen Falten bis zu seinen Knöcheln hinabreichte und nur an der Taille von einer Kordel zusammengehalten wurde. Das Institut war der Überzeugung, daß dieses Kleidungsstück am ehesten geeignet war, etwa bestehende Tabus zu berücksichtigen. Svetz hatte einen Beutel am Gürtel hängen und trug darin eine winzige Presse, die das verarbeitete Material gleichzeitig erhitzte, einige Stücke Korund und mehrere Fläschchen mit Farbstoffen.
Außerdem trug er einen beleidigten Gesichtsausdruck zur Schau. Wie kam es, daß er die reine Luft seiner eigenen Vergangenheit nicht atmen konnte?
Die Luft in der Kapsel entsprach der Erdatmosphäre des Jahres 1100 n. A. und enthielt fast vier Prozent Kohlenstoffdioxid. Die Luft des Jahres 750 v. A. enthielt kaum vier Promille des gleichen Abfallprodukts. Die Menschheit hatte die Erde erst teilweise besiedelt. Sie hatte nur wenig Luft geatmet, erst einige Wälder gerodet und noch nicht viel Brennstoff verbraucht.
Aber der industrielle Fortschritt brachte einen wesentlich erhöhten Brennstoffverbrauch mit sich. Verbrennung bedeutete jedoch, daß Kohlenstoffdioxid die Luft verpestete, während die Pflanzen sich vergeblich bemühten, diese Mengen in Sauerstoff zurückzuverwandeln. Svetz stammte von Menschen ab, die sich zweitausend Jahre lang an immer größere CO 2 -Mengen in ihrer Atemluft gewöhnt hatten.
Eine gewisse CO 2 -Konzentration war unerläßlich, weil das autonome Nervensystem, das die Atmung regulierte, sonst nicht genügend stimuliert wurde. Svetz hatte das Bewußtsein verloren, weil er nicht mehr geatmet hatte.
Deshalb trug er jetzt die Plastikkugel über dem Kopf und fühlte sich ausgestoßen.
Er stellte sich breitbeinig über den Flugstock und schaltete den Antrieb ein. Der Stock
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