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Magdalenas Blau: Das Leben einer blinden Gärtnerin (German Edition)

Magdalenas Blau: Das Leben einer blinden Gärtnerin (German Edition)

Titel: Magdalenas Blau: Das Leben einer blinden Gärtnerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Lachauer
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eingenickt.
    Sonnenmatt war ein geradezu idealer Platz für uns drei, fast Heimat geworden. Ausgerechnet in dieser Zeit ist bei mir wieder das Fernweh aufgebrochen. Ein Missionar aus Uganda ist zu Besuch gekommen, ein Pater Tauber, er predigte mehrmals in unserer Kirche und sammelte Geld für seine Missionsstation. Oft hat er Kaffee bei uns getrunken und so interessant von Afrika erzählt, von den Bantus und ihren Traditionen, manchmal bis in die Nacht, weder Konrad noch ich wollten ihn gehen lassen. In der Nähe vom Lake Edward war er tätig, wo es Flusspferde und Pelikane gibt, Hunderte von Vogelarten. Auch Lukas hat Pater Tauber gemocht. Ohne dass wir ihn dazu aufgefordert hätten, schüttete er eines Tages sein Taschengeld auf den Tisch. «Kannste haben. Für Afrika!»
    Uns waren die unorthodoxen Ansichten von Pater Tauber über das Missionieren sympathisch. Er fühle sich in Gottes Hand geborgen, sagte er, unter seinem Schutz lebe er in diesem nicht ungefährlichen Land. Seiner Auffassung nach muss man nicht die Trommel rühren für den rechten Glauben, sondern einfach da leben, nur leben, Tomaten anpflanzen und den Armen helfen. «Ich seh sie nicht unter mir, nur anders», betonte er. Das hat uns gefallen, im Gegensatz zu vielem, was die katholische Kirche diesbezüglich für richtig hielt.
    Bei jeder Deutschlandreise hat Pater Tauber in unserem Haus Station gemacht. Wie ein Landstreicher kam er an, in einem Hemd, das nicht das sauberste war, stellte sein Köfferchen auf die Terrasse und half mir beim Himbeerzupfen oder was gerade anstand. «Das ist für mich interessanter als die ganze Theologie!» Anscheinend hat er Sehnsucht nach einer Familie gehabt.
    «Weißt du, Magdalena, du und der Konrad und der Lukas könnten doch mitkommen nach Uganda. Dann hätte ich abends jemanden zum Reden und zum Lachen. Ich komme ja mit den Schwarzen gut aus, aber die verstehen mein Lachen nicht, und ich verstehe ihr Lachen nicht.» Sein Vorschlag ist eine wirkliche Verführung gewesen, selbst für Konrad, so eine Aufgabe hätte ihm Freude gemacht, Landbau und Schule parallel. Allerdings auf Englisch, das wiederum hat ihn abgeschreckt, noch eine Sprache lernen, und noch dazu in einem Land, wo die Bewohner angeblich enorm redselig sind. Mir traute Pater Tauber zu, schnell mit ihnen in Kontakt zu kommen. «Du könntest mit ihnen tanzen.» Etwas, was ihm selbst schwerfiel, als Bergmenschen – er war ein Südtiroler – und weil er unsicher war, ob ein Priester das wirklich tun dürfe. Meine Aufgabe wäre vor allem, den Frauen dort Mut zu machen. Wenn die sähen, dass eine Blinde so viel kann, würden sie mehr an sich glauben.
    Nützlich sein – mein großer Traum. In den einfachen Verhältnissen am Lake Edward wäre das leichter als hier, wo alles immer komplizierter und immer unübersichtlicher wurde. Nach Afrika gehen wäre: die Zeit zurückdrehen. Du landest in Kampala, und nach fünfzig Kilometern befindest du dich im Jahr 1950 oder noch weiter zurück. Mich reizte besonders das Gärtnerische in Uganda, das Akklimatisieren von Pflanzen, wovon der Missionar jedes Mal erzählte. «Erbsen geht nicht, die wachsen viel zu schnell. Tomaten klappt jetzt, seitdem ich die Buckelspritze zum Wässern habe.» Die hatten wir im Vorjahr zusammen in Müllheim gekauft. «Was könnte ich noch probieren?», fragte er mich. «Zuckermelonen!» Zuckermelonen, in Sonnenmatt wurden sie nichts, das hat mich interessiert.
    «Wenn ich euch nur bei mir hätte!» Pater Tauber hörte nicht auf, um uns zu werben. Wie wir es auch betrachteten, diskutierten, beseufzten, letztlich sind wir immer zu dem Schluss gekommen, dass wir es Lukas nicht zumuten können. Jedenfalls nicht jetzt, er musste erst einmal sicher werden in unserer Welt, und dazu fehlte noch viel. Zudem war seit 1971 Idi Amin an der Macht, ein Tyrann der schlimmsten Sorte, das Risiko, umzukommen, war ziemlich groß. Unser Sohn wäre dann auf Dauer ein Heimkind geworden. Wir gehen nach Afrika, wenn Lukas erwachsen ist, vereinbarten Konrad und ich. «Versprochen?» – «Versprochen!»
    Zum letzten Mal ist Pater Tauber in dem Sommer da gewesen, als Lukas vierzehn war. Wir haben mit aller Kraft, in der Gemeinde, in der Schule, Geld für einen Jeep gesammelt, den er dringend brauchte. Etwa zwei Jahre darauf, nach dem Sturz von Idi Amin, hörte ich im Radio, ein Missionar aus Südtirol sei in Uganda erschlagen worden. Und wusste sofort, es handelte sich um unseren braven Freund. Die

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