Magdalenas Blau: Das Leben einer blinden Gärtnerin (German Edition)
Großmeister im Sägen und unterwies uns Kinder, wie Holz unfallsicher gestapelt wird. Ich war dazu eingeteilt, jeden Abend fünf oder sechs «Zainen», große zweihenklige Körbe, mit Holz zu füllen und in die Küche zu bringen, schön nach Sorten geordnet. Es musste ordentlich vor den Heizlöchern aufgebaut werden, über Nacht sollte es trocknen, damit die «Mueter», die Chefheizerin, morgens leicht, ohne viel Bückerei, die benötigten Holzarten greifen konnte: leicht Brennbares für den Anfang, dann Wellen, dann Buchenscheite, zuletzt das Knüppelholz, das am langsamsten brennt. Anfangs dachte ich, diese Befehle so genau auszuführen sei doch Blödsinn. Diese Bauern spinnen doch! Nach und nach verstand ich, alles oder fast alles hatte seinen Sinn.
«Du!» Das war Anrede und Befehl. Ohne Vornamen, nur Tomasz, der liebe, sagte «Leni» zu mir. Gegen dieses «Du» konnte mein Widerspruchsgeist nichts ausrichten, in der Bauernwelt war das Verlangte notwendig, das wurde mir ziemlich schnell klar.
«Du! Holz hole! Du! Erdäpfle schäle! Du! Butter drehe!»
Kartoffeln schälen habe ich in kürzester Zeit gelernt, und noch viele Dinge, die ich früher wegen der Äugle nicht tun musste oder durfte. Jeder von uns musste stundenlang die Kurbel vom Butterfass drehen, auch ich.
Beinahe hätten wir vergessen, dass Advent war. Einen Adventskranz hatten sie nicht, einen Nikolaus auch nicht. Ab und zu verteilte die «Mueter» kleine rote Äpfel an die gerade anwesenden Kinder, oder sie holte aus der Tiefe ihrer Schürzentasche Haselnüsse oder Dörrzwetschgen. Meistens dann, wenn sie mit uns zufrieden war, nach dem «Wolle zupfe». An trüben Nachmittagen holte sie ihr Spinnrad aus der Kammer. Frieda, die Magd, schleppte einen Sack herbei, aus dem große, haarige Klumpen zum Vorschein kamen. Dass das Schafswolle ist, wusste ich nicht.
Die Frauen zeigten uns, wie es geht. Zuerst vorzupfen, kleine Portionen machen, die man dann später flaumweich und luftig zupft. Man entfernt trockene Blatt- und Grasteile, Schmutzklümpchen und vor allem das wie Ohrenschmalz aussehende Fett, von dem man komisch riechende, aber wundervoll weiche Hände bekam. Aus einem faustgroßen Klumpen im Urzustand konnte man einen Putzeimer voll Spinnwolle machen. Welche die «Mueter» dann zwischen ihre flinken Hände nahm und zu Strängen warmer, etwas kratziger Wolle spann. Wir durften ihr helfen, die Stränge fürs Färben vorzubereiten. Später wäre ich froh gewesen, wenn ich mir die Vorgänge etwas genauer gemerkt hätte. Diese «Färbi» waren dunkel und warm, in dem großen Waschkessel wurde immer wieder eine andere Brühe angerichtet. Dazu benutzte die «Mueter» selbstgesammelte Wurzeln und Kräuter.
Nach getaner Arbeit hat die «Mueter» manchmal erzählt, vom wilden Jäger, dem Hudada und seinem Gefolge. Zuerst wurde uns ein wenig mulmig dabei. Dieser Kerl blies Lichter aus, warf offene Kerzen um, und dann brannte das Haus. Und wenn man in den Raunächten draußen schwätzte und es stürmte, brauste er mit seinem bösen Gesindel am Himmel vorbei. Es konnte passieren, dass er einem Bärenknochen nachwarf, davon seien viele Neugierige schon lahm geworden.
Es ging auf Weihnachten zu, und nichts tat sich. Ob es denn auch diesmal einen Christbaum geben würde, erkundigten wir uns alle paar Stunden, und auch eine Krippe, Geschenke. Mutter weinte nur.
«Betet, dass wir wieder nach Hause können. Und dass Vater wiederkommt.»
Irgendwo fand sich ein Hindenburglicht, und wir versuchten, unsere Lieder zu singen. Es wollte nicht so recht klappen. Auch am Heiligen Abend konnten wir es noch nicht richtig. Wir zwangen uns zu einem «Stille Nacht», die Großen weinten, wir Kinder bissen die Zähne zusammen und sangen tapfer weiter. Es hatte sich wenigstens noch ein winziger Baum eingefunden, Tomasz hatte ihn aus dem Wald gebracht. Ich hatte kleine Büschelchen aus Wolle daraufgesetzt und ein paar windschiefe Zigarettenpapiersterne. Mit meinen Händen eine längliche Wachswurst geformt, aus den dunkelweißen Resten der letzten Kerze. An dieser Wurst war oben Schafswolle, das sollten zarte Härchen sein: Das war Jesus.
Nach Weihnachten durfte ich in die Dorfschule. Ich musste den langen, beschwerlichen Weg ins Tal hinunter machen, wie die anderen Kinder von den Einödhöfen. «Wie Heidi», ich dachte an die Alm. So steil wie in der Schweiz würde es hier hoffentlich nicht sein. Von unserem Hof war ich die Einzige. Peter, mein Bruder, und Cousine Ursula
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