Magdalenas Garten
Ihre Aufrichtigkeit gefiel Joe offenbar, er legte seinen Arm um ihre Schulter und führte sie ein paar Schritte in Richtung Rialto .
»Du gibst mir einen Espresso aus, und wir reden«, sagte er.
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Nach dem Espresso und zwei Heineken schaute Magdalena unter dem Tisch verstohlen in ihr Portemonnaie. Wenn Joe weitertrinken wollte, musste sie noch mal zum Geldautomaten. Immerhin hatte sie erfahren, dass Antonello von seinen Freunden Lello genannt wurde, hier in Capoliveri eine Luxusvilla bewohnte und in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren nicht mehr auf einer Bühne gestanden hatte, weil er an unerträglich starkem Lampenfieber litt.
»Ist er verheiratet, hat er Kinder?«, fragte sie, und die Aufregung flatterte in ihrer Stimme.
»Nein. Er wohnt allein. Ich kenne Freunde von ihm.«
»Ich glaube, dass er meine Mutter meinte, als er das Lied vom Stiefelmädchen schrieb«, sagte Magdalena wohl zum vierten Mal zu Joe. Der nickte und schaute nachdenklich vor sich
hin. Tanino legte unter dem Tisch seinen Kopf auf die Pfoten und seufzte.
»Andiamo!« , sagte Joe plötzlich und drehte seinen Zappa-Kopf langsam nach rechts und links zu den Schultern, lieà ihn dann kreisen, bis es irgendwo in seiner Wirbelsäule knackte. Magdalena zahlte und folgte ihm durch Capoliveris StraÃen, die dicht mit Souvenirläden besetzt waren und vor Touristen wimmelten. Joe bog in eine kleinere Gasse ab, je weiter sie bergab gingen, desto ursprünglicher wurde die Umgebung: ein Hauseingang, der nicht mit Geranientöpfen überdekoriert war, eine Hausfrau in Schürze und Puschen, die eine Plastikwanne mit nasser Wäsche schleppte, ein Fenster mit einer echten Katze. Joe lief schneller, seine langen Beine eilten ihr davon.
»Wir müssen uns beeilen, bevor er den Laden zumacht und zum Essen geht«, rief er Magdalena über die hagere Schulter zu. Nach weiteren hundert Metern wurde die Gasse wieder breiter, aus einem Vorhang aus puscheligen Bändern trat ein Mann mit weiÃem Haar, der sich über die frisch rasierten Wangen strich. Barbiere stand oben an der Hauswand. Joe hüpfte erstaunlich wendig drei Stufen hinauf und stieà eine Ladentür auf, ein paar Glöckchen klingelten hell. Magdalena folgte ihm und trat neugierig ein. Sie schloss die Tür hinter sich, durch das getönte Glas sah sie, wie Tanino sich unten vor die Stufen legte. Sie schaute sich um. Krawatten! Ein winziger Laden voller Krawatten. Sie hingen an den Wänden über Stangen aus rötlichem Rosenholz und lagen zusammengerollt in kleinen hölzernen Schubladen mit Guckfenstern aus Glas. Joe stand stocksteif zwischen den feinen Stoffen, als hätte er Angst, etwas schmutzig zu machen. Magdalena lächelte ihn an und betrachtete die verschiedenen Muster und Farben hinter ihm, es roch nach Bügelwäsche und Bergamotte. Ein nicht besonders groÃer Mann mit einem zu gleichmäÃig gefärbten Haarkranz kam jetzt hinter
dem Vorhang neben dem Ladentisch hervor und begrüÃte sie mit einem Lächeln, dabei legte er seine zarten Hände ineinander, als ob er etwas Kostbares darin bewahren müsste. Magdalena lächelte zurück, bis ihr die Mundwinkel wehtaten, sie war gespannt, wie Joe das Gespräch anfangen würde mit diesem höflichen Mann, der seine Krawatten nach Farben ordnete.
Joe zeigte auf Magdalena und stellte sie vor, er redete ein bisschen von irgendwelchen Menschen, die Magdalena nicht kannte, doch als dann endlich das erste Mal der Name Antonello fiel, sagte der Krawattenmann sofort: »Noâ¦no, mi dispiace!« , so traurig und endgültig, dass Magdalena sich jetzt schon für ihren Versuch schämte, ihn umzustimmen.
»Du kannst ihn nicht besuchen, er ist krank«, sagte Joe. Magdalena nickte. Der Miene des Ladenbesitzers nach zu urteilen, war er sehr krank, doch sie musste zu ihm, solange er noch irgendwie bei Bewusstsein war, auch wenn er vielleicht nicht mehr reden konnte! Sie sah sich schon am Bett des Sängers sitzen, er hatte seine Pilotenbrille auf und deutete mit dem Finger auf die einzelnen Buchstaben einer Tafel.
»Ich werde den Laden für die nächsten Wochen schlieÃen«, murmelte der Mann bekümmert.
»Per favore!« , sagte sie mit aller Festigkeit, die sie aufbringen konnte, doch ihre Stimmbänder pressten sich sofort zusammen. »Das Mädchen aus dem Stivali -Lied ist meine Mutter!« Schon kämpfte sie
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