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Magermilch

Magermilch

Titel: Magermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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mir gar nicht gut auf sie zu sprechen zu sein. ›Gisela ist eiskalt und rücksichtslos abgehauen‹, hat er sich bei mir beklagt. ›Und sie hat absolut niemandem verraten, wohin.‹« Frau Brunner senkte den Blick wieder auf die Hände. »Ich habe mich so geschämt, dass ich mich nicht länger mit ihm unterhalten wollte, und hab mich geradezu überstürzt verabschiedet.«
    Sie hat keinen Schimmer, dass er tot ist!
    »Gisela wird sich sicher demnächst bei Ihnen melden«, sagte Fanni lahm.
    Frau Brunner sah sie zweifelnd an.
    »Und ich werde«, begann Fanni, stockte und fuhr dann fort: »Ich werde Martha bitten, Sie anzurufen, falls die Stolzers was von Ihrer Tochter hören.«
    Und jetzt Abgang, aber dalli!
    »Und nun, fürchte ich, ist es höchste Zeit für mich, aufzubrechen. Meine Familie wird sich schon gefragt haben, wo ich herumstrolche.«
    Frau Brunner nickte. »Ja, es wird wohl Zeit, unseren kleinen Plausch zu beenden. Ich muss nach meinem Mann sehen. Sicher ist er inzwischen aufgewacht.«
    Sie brachte Fanni hinaus. An der Straße hinter der Lilienrabatte verabschiedeten sie sich.
    Fanni stand da und starrte die Lilien an, als wäre sie von ihnen hypnotisiert worden.
    Zwei Nachbarsjungen, dachte sie, haben gemeinsam einiges ausgefressen und sich dann aus dem Staub gemacht. Der eine fährt jetzt einen roten Wagen wie Hannes, der andere trägt einen Vornamen, wie er wohl auch in Hannes’ Taufschein steht. Zufall? Beides? Der Name? Der Wagen?
    Du solltest auf geschwinden Füßen zum Sportplatz eilen! In spätestens zehn Minuten wird abgepfiffen!
    Fanni hastete in die entgegengesetzte Richtung. Hinter der Kurve traf sie auf eine Abzweigung.
    Sie lief den schmalen Weg entlang, der sich von der Hauptstraße abgabelte, und erkannte bereits nach wenigen Metern, dass sie richtig gewählt hatte. Die kurze, sandige Stichstraße führte offensichtlich zu dem Hof, den Frau Brunner »Lehmackerhof« genannt hatte.
    Aus der gebrechlichen Scheune, die von Frau Brunners Garten aus zu sehen gewesen war, starrten ihr blinde Scheiben entgegen.
    Fanni atmete durch und lugte ums Scheuneneck.
    Auf einem lehmigen Flecken vor dem Wohnhaus, der dem Namen des Hofes alle Ehre machte, stand der rote Wagen inmitten ausrangierter, stark verrosteter Landwirtschaftsgeräte.
    Die waren wohl unverkäuflich!
    An der Heckscheibe des Autos sichtete Fanni die beiden Zeilen bunter Aufkleber, die ihr sofort aufgefallen waren, als der Wagen am Haus der Brunners vorbeifuhr.
    »Das gibt’s doch nicht zweimal«, murmelte Fanni. »Es muss Hannes sein.«
    Wirf doch mal einen Blick auf das Autokennzeichen!
    »DEG H 51« stand von jeher auf Hannes’ Nummernschild, dachte Fanni. »DEG« für Deggendorf, »H« für Hannes. Der 5. Januar ist sein Geburtsdatum und gleichzeitig sein Namenstag – Johann Nepomuk.
    Wenn Hannes all die Jahre bei derselben Automarke und bei den Bergbahn- und Hüttenaufklebern geblieben ist, überlegte sie, dann erst recht bei diesem Kennzeichen.
    Fanni reckte den Hals.
    Das ihr zugewandte hintere Nummernschild war gänzlich von einem verbogenen Blechteil verdeckt, das aus seinem ursprünglichen Bestimmungsort an einer Pflugschar herausragte. Die Buchstaben und Zahlen auf dem vorderen Nummernschild waren, soweit Fanni das einschätzen konnte, nur für jemanden zu entziffern, der im Türbogen des Hauseingangs stand.
    Zögernd begann sie, auf den Wagen zuzuschleichen.
    Von jedem Fenster des Wohnhauses aus kann man dich sehen!
    Fanni duckte sich hinter eine umgekippte Schubkarre.
    Ein Hund schlug an.
    WEEEEG!
    Fanni machte kehrt. Sie hetzte ums Scheuneneck, stolperte über ein umgestürztes, halb verrostetes ehemaliges Straßenschild, das ihr zuvor gar nicht aufgefallen war, rappelte sich auf und lief die Stichstraße hinunter.
    Plötzlich setzte ein unbändiger Lärm ein.
    Fanni rannte, was das Zeug hielt.
    Erst als sie schon am Supermarkt vorbei war und in das Wäldchen eintauchte, wurde ihr klar, dass das Getöse vom Sportplatz kam.
    Siegesgeschrei!
    Fanni drosselte das Tempo um gut die Hälfte.

    »Da bist du ja«, sagte Hans Rot, als Fanni neben ihm auftauchte. »Hatte dich doch glatt für einen Moment aus den Augen verloren.«
    Fanni hätte gelacht, wäre sie nicht so sehr außer Atem gewesen.
    »Der Siegerverein hat zu einem Umtrunk eingeladen«, fuhr Hans fort. »Komm!« Er packte Fanni am Arm und zog sie mit sich.
    Fanni fragte sich, wer das Spiel wohl gewonnen hatte, Klein Rohrheim oder Stockheim. Sie blickte sich um. Ein

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