Maggie O´Dell 01 - Das Boese
berührte.
Sie hatte schon vor Stunden die Schuhe ausgezogen und kniend auf ihren Füßen gesessen, bis sie einschliefen. Jetzt massierte sie einen nach dem anderen, während sie die Obduktionsberichte von Aaron Harper und Eric Paltrow las, deren Ermordung Jeffreys möglicherweise irrtümlich angelastet worden war.
Die Pizza roch gut trotz der grausigen Details, die sie las. Sie blickte auf und merkte, dass Nick ihr beim Massieren der Füße zusah. Wie bei etwas Unerlaubtem ertappt, wandte er den Blick ab, öffnete eine Dose und reichte sie ihr.
„Danke.“ Diesmal war sie wirklich hungrig. Von Wandas Käse-Schinken-Sandwich hatte sie nur zwei Bissen genommen, ehe der junge Deputy Preston es ihr zum Glück abnahm. Das war vor Stunden gewesen. Jetzt war es bereits dunkel draußen. Die Telefone unten am Flur hatten aufgehört zu klingeln, und der Mitarbeiterstab hatte sich deutlich ausgedünnt. Einige waren nach Haus geschickt worden, um sich auszuruhen, und andere waren wieder auf der Suche nach dem kleinen Jungen.
Nick schnitt ein dickes Stück Pizza ab und reichte es Maggie auf einem Papierteller. Sie roch grünen Pfeffer, italienische Wurst und Romano-Käse. Er hatte gut gewählt. Sie biss zu viel ab, so dass ihr Käse und Sauce aufs Kinn tropften.
„Mein Gott, O‘Dell, Sie haben das ganze Gesicht voller Sauce.“
Sie leckte sich unter seinem Blick einen Mundwinkel.
„Die andere Seite.“ Er zeigte hin. „Und das Kinn.“
Ihre Hände waren voll mit Pizza und Gerichtsakten. Sie leckte sich den anderen Mundwinkel und sah sich nach einem freien Platz um, wo sie gefahrlos etwas ablegen konnte.
„Nein, höher“ , wies er sie an. „Warten Sie, lassen Sie mich das machen.“
Als er mit dem Daumen ihren Mundwinkel berührte, sahen sie sich wie gebannt an. Er wischte ihr mit den Fingern über das Kinn und fuhr mit dem Daumen über ihre Unterlippe, wo garantiert weder Sauce noch Käse waren. Sie merkte ihm an, dass auch er dieses erotische Prickeln spürte. Seine Finger blieben länger als nötig auf ihrem Kinn, bewegten sich hinauf und streichelten ihr die Wange, während sein Daumen an ihrem Mundwinkel verweilte. Überrascht von ihrer körperlichen Reaktion darauf, wich sie zurück und entzog sich ihm.
„Danke“ , sagte sie mit gesenktem Blick. Sie warf den Pizzateller regelrecht zur Seite, schnappte sich eine Serviette und rieb sich gründlicher als nötig das Kinn ab.
„Ich glaube, wir brauchen mehr Servietten und Colas“ , stellte Nick fest und stand befangen auf.
Er nahm zwei weitere Dosen aus dem kleinen Kühlschrank in der Ecke und fügte dem Stapel Servietten, der bereits auf dem Boden lag, noch ein paar hinzu. Als er sich wieder zu ihr setzte, hielt er mehr Abstand. Ihr war aufgefallen, dass er sich zurückhielt und auch nicht mehr mit ihr flirtete, seit er wusste, dass sie verheiratet war. Die Berührung, die zärtliche Geste hatte ihn offenbar selbst überrascht.
„Da gibt es zu viele Unterschiede“ , sagte sie und versuchte sich wieder auf den Autopsiebericht zu konzentrieren. „Ich weiß nicht, warum alle glaubten, Jeffreys hätte alle drei Jungen umgebracht.“
„Aber verändern Serienmörder nicht ihre Vorgehensweise?“
„Sie fügen vielleicht Dinge hinzu. Sie experimentieren. Jeffrey Dahmer experimentierte mit verschiedenen Arten, seine Opfer am Leben zu erhalten. Er hat ihnen Löcher in die Schädel gebohrt, um sie handlungsunfähig zu machen, sie aber zunächst leben lassen.“
„Vielleicht hat auch Jeffreys gern experimentiert?“
„Ungewöhnlich ist hierbei nur, dass die Morde an Harper und Paltrow fast identisch sind. Beide waren gefesselt, die Hände waren mit Stricken auf dem Rücken zusammengebunden. Sie wurden erwürgt, dann wurden ihnen die Kehlen durchgeschnitten. Die Brustverletzungen waren fast identisch bis hin zu den Stichwunden. Um das X einzuschneiden, wurde dasselbe Messer benutzt. Beide Jungen wurden nicht sexuell missbraucht. Ihre Körper wurden in unterschiedlichen abgelegenen Gegenden in Flussnähe gefunden.“
Sie las aus mehreren Dokumenten, die vor ihr auf dem Boden lagen, und beugte sich vorsichtig darüber, um sie nicht zu beschmutzen. Allmählich begann sie das Ausmaß ihrer Erschöpfung zu spüren. Ihr Blick verschwamm, als sie die hingekritzelten Notizen des Gerichtsmediziners las. George Tillie war nicht so präzise gewesen, wie er hätte sein sollen. Nur im Paltrow-Bericht wurde erwähnt, dass der Körper gesäubert worden war und man
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