Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele
von Gebetsversammlungen vorbereitet. Die nächste sollte am folgenden Abend in Cleveland stattfinden. Man traf einfach nur Vorbereitungen. Aber warum nannte Reverend Everett dieses Treffen dann Notversammlung? Und warum sah Emilys Gesicht vor Anspannung ganz spitz aus?
Kathleen überlegte, dass sie eigentlich gar nicht hier sein und auch nicht mit zur Versammlung nach Cleveland fahren sollte. Schließlich hatte Everett ihr geraten, den Feiertag mit Maggie zu verbringen. Sie hatte noch gar keine Gelegenheit gehabt, mit ihm über Maggie zu reden. Vielleicht war es besser, sie überhaupt nicht zu erwähnen. Irgendwie schien sich alles geändert zu haben. Irgendwas musste passiert sein, das ausgereicht hatte, Emily sprachlos zu machen und Stephen der Fähigkeit zu berauben, ihr in die Augen zu sehen.
Kathleen kam sich vor wie im Nebel, wo nichts wirklich klar zu erkennen war. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass sie nichts mehr besaß: keine Wohnung mit freundlichen gelben Gardinen und keine Figurinen der Großmutter. Das war alles zu viel für einen Tag. Vielleicht schmerzte ihr deshalb der Kopf. Reverend Everett würde sicher Verständnis haben. Sobald sie Cleveland erreichten, würde er gewiss wieder ruhiger und zugänglicher werden und erkennen, dass alles wieder in Ordnung kam.
Als er sich erhob, wurde es still im Raum, trotz der nervösen Anspannung aller Versammelten, die im Schneidersitz abwartend auf dem Boden saßen.
„Meine Kinder“, begann er. „Bevor diejenigen von uns, die zur Mission nach Ohio fahren, abreisen, habe ich leider beunruhigende Nachrichten zu verkünden. Ich habe oft davor gewarnt, dass es Verräter gibt, die uns schaden wollen. Sie hassen uns, weil wir diesen Lebensstil gewählt haben. Ich muss euch sagen, dass wir von einem von uns hintergangen wurden. Dieser Jemand wurde zum Verräter und hat uns den Medienmonstern ausgeliefert. Und ihr wisst, wie die Medien lügen.“
Er wartete auf eine angemessene Reaktion und nickte ermutigend bei den wenigen Missfallensbekundungen, die daraufhin lauter wurden. Kathleen sah sich um und hoffte, es gab nicht wieder eine Strafaktion mit Schlange. Sie war nicht sicher, ob ihre Nerven das aushielten.
„Ich fürchte, diese Sache ist viel zu persönlich und schmerzlich für mich, sodass ich Stephen bitten möchte, jetzt fortzufahren.“ Reverend Everett setzte sich wieder und sah Stephen an, der nach dieser Aufforderung überrascht und sogar ein wenig verlegen wirkte. Offenbar war das nicht geplant gewesen. Armer, schüchterner Stephen. Kathleen wusste, wie sehr er es verabscheute, im Mittelpunkt zu stehen. Das Unbehagen stand ihm ins Gesicht geschrieben.
Er erhob sich langsam und zögerlich. „Es ist wahr.“ Die Stimme brach ihm, und er räusperte sich. „Es gibt einen Verräter unter uns.“
Er blickte zu Reverend Everett, der ihn mit einer winkenden Geste aufforderte, weiterzumachen, er kenne ja die Prozedur. Kathleen sah sich in der Menge um, die schweigend abwartete. Sie alle kannten die Prozedur. Der Verräter musste entlarvt werden und eine Lektion bekommen. Aber sie war heute Abend so erschöpft, dass sie nur wünschte, es wäre schon vorüber.
„Der Verräter hat wertvolle Informationen an das FBI und den Boston Globe weitergegeben“, fuhr Stephen fort. „Informationen, die sie veranlassten, mit Exmitgliedern zu sprechen. Informationen, die dem Ruf der Kirche schaden und von unserer Mission ablenken könnten. Deshalb ist die Versammlung in Ohio jetzt umso wichtiger. Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen.“
Er blickte auf Zustimmung hoffend zu Reverend Everett. Dann wurde Stephens Stimme kräftiger und tiefer.
„Aber Verräter müssen bestraft werden. Ich fordere die schuldige Person auf, sich zu erheben. Du weißt, dass du es bist.“ Wieder ein Blick zu Everett. „Stell dich vor uns hin, und empfange deine Strafe!“
Alle blieben stumm sitzen. Niemand wagte sich umzusehen, aus Angst, selbst gemeint zu sein. Niemand bewegte sich. Dann drehte Stephen sich um und deutete mit dem ausgestreckten Finger.
„Steh sofort auf und empfange deine Strafe!“ forderte er.
Kathleen glaubte, ein Beben in seiner Stimme zu hören, als er mit dem Finger auf sie zeigte. Nein. Das musste ein Irrtum sein. Sie blickte zu Reverend Everett, doch der starrte geradeaus und würdigte sie als Einziger keines Blickes.
„Kathleen, komm her und empfange deine Strafe, weil du uns verraten hast!“ Stephen gelang ein zorniger, strenger
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