Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele
auf Schulhöfen umherschießen, um ihre Probleme zu lösen.“
„Demnach wäre ihre spontane Reaktion, wenn sie mit einem Waffenarsenal in einer Hütte umzingelt werden, sich den Weg freizuschießen.“ Maggie zuckte mit den Schultern und lehnte sich zurück. „Was mich wieder auf die alte Frage bringt: Warum haben die sich zum Sterben hingelegt?“
„Was mich auf dieselbe Antwort bringt.“ Gwen lächelte. „Angst. Irgendwer hat sie überzeugt, dass Selbstmord ihre einzige Wahl ist.“ Sie sah zu, wie Maggie ihr Scotchglas in den Händen wiegte. „Aber das hast du doch bereits gewusst, oder? Komm schon, ich erzähle dir schließlich nichts Neues. Warum hast du dich nun wirklich mit mir zum Essen verabredet? Worüber willst du reden?“
Das Schweigen dauerte länger, als Gwen es im Allgemeinen zuließ.
„Um ehrlich zu sein ...“ Maggie nahm die Speisekarte auf und wich Gwens Blick aus, „ich habe einen Bärenhunger.“ Sie blickte über den Rand der Karte und schenkte der besorgt blickenden Gwen ein angespanntes Lächeln. „Ich musste einfach mit einer Freundin zusammen sein, okay? Einer lebenden, atmenden, wunderbaren Freundin, die ich absolut verehre.“
Gwen erhaschte nur einen kurzen Blick in Maggies tiefbraune Augen, die ernst und ein wenig feucht wirkten. Dann versteckte Maggie das Gesicht gleich wieder hinter der Speisekarte. Gwen durchschaute, dass sie ihre deutlich gewordene Rührung verbergen wollte. Verwundbarkeit zeigte die zähe Maggie O’Dell nicht mal der lebenden, atmenden, wunderbaren Freundin.
„Du solltest den Hickory-Burger versuchen“, riet Gwen und deutete auf die Speisekarte.
„Einen Burger? Der Gourmet empfiehlt einen Burger?“
„He! Nicht irgendeinen Burger, sondern den besten in der Stadt.“ Sie sah, wie Maggie sich entspannte und heiter zu lächeln begann. Okay, dann würde sie mit dem Bohren und Forschen aufhören. Heute Abend würden sie Burger essen, etwas trinken und einfach lebende, atmende Freundinnen sein.
13. KAPITEL
Er musste sich setzen. Der Dunst schien diesmal dichter zu werden als sonst. Hatte er zu viel von dem selbst gemachten Gebräu genommen? Er nahm es nur zur Stärkung, um hinter das Dunkel zu sehen. Auf diese Benommenheit konnte er verzichten. Er musste sich setzen. Ja, sitzen und warten, dass der Nebel hinter seinen Augen verschwand.
Er musste auf seine Atmung achten, wie man es ihn gelehrt hatte. Er würde seinen Zorn ignorieren und abwarten. War es überhaupt Zorn? Frustration vielleicht, Enttäuschung, ja. Aber kein Zorn. Zorn war negative Energie und unter seiner Würde. Nein, es war einfach Frustration. Und wieso auch nicht? Er hatte wirklich geglaubt, diesmal würde es länger dauern. Sie hatte es zweifellos versucht. Und er war fast sicher, dass er es beim dritten Mal gesehen hatte. Ja, er war sicher. Er hatte das Licht hinter ihren Augen gesehen, das Aufglimmen, den Blitz, den Augenblick, als das Leben mit dem letzten Atemzug aus dem Körper gewichen war. Ja, er hatte es gesehen, und er war nah dran gewesen.
Jetzt dauerte es Tage, vielleicht sogar Wochen, bevor er es wieder versuchen konnte. Er verlor langsam die Geduld. Warum zum Henker musste sie auch so schnell aufgeben? Eine weitere Chance, mehr brauchte er nicht. Er war so nah dran gewesen, dass er nicht länger warten wollte.
Er nahm das Buch auf. Das glatte Leder des Einbands zu spüren gab ihm Trost. Er saß in einer dunklen Ecke des Bahnhofs auf einer harten Bank und ignorierte das Kreischen der hydraulischen Bremsen, das endlose Klappern von Absätzen und das Geschiebe von Menschen, die alle in großer Eile waren, an ihre Ziele zu gelangen.
Er schloss die Augen gegen den aufsteigenden Dunst und lauschte. Er hasste den Lärm und den Gestank nach Dieselabgasen, nassen Socken und Körpergeruch. Ja, Körpergeruch von dem Abschaum, der seine Pappunterkünfte an der Straße verließ und hereinschlenderte, um Kleingeld zu erbetteln. Wertlose Armleuchter.
Er öffnete die Augen und war erfreut, dass sich sein Blick klärte. Kein Nebel mehr. Er beobachtete, wie einer der wertlosen Armleuchter den Schlitz am Verkaufsautomaten nach Wechselgeld absuchte. War das eine Frau? Schwer zu sagen. Sie trug alles, was sie besaß, am Leib - Lage um Lage schmutziger Lumpen, die Hosenaufschläge hinter sich herschleifend, was nur ein langsames abwesendes Schlurfen zuließ. Die zerrissene ausgeleierte Strickmütze verlieh dem Kopf eine schiefe Spitze und ließ die schmutzigen blonden Haare
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