Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele
„Garrison, hier spricht Ted Curtis. Ich habe Ihre Fotos bekommen. Sie sind gut, aber nicht viel anders als die meiner eigenen Jungs. Ich brauche was anderes. Etwas, das die anderen nicht bringen. Rufen Sie mich an, wenn Sie was haben, okay?“
Ben hätte gern die Filmdosen durch den Raum geschleudert. Jeder wollte irgendwas Spezielles, eine verdammte Exklusivität. Es war fast zwei Jahre her, seit er mit Fotos von toten Kühen außerhalb von Manhattan, Kansas, die Geschichte einer möglichen Milzbrandepidemie an die Öffentlichkeit gebracht hatte. Davor war er obenauf gewesen, als hätte er das Glück gepachtet. Zumindest erklärte er es sich mit Glück, dass er außerhalb des Tunnels war, als Prinzessin Dianas Wagen verunglückte. War es nicht auch Glück gewesen, dass er sich an dem Tag, als die Bombe hochging, in Tulsa befand? Innerhalb von Stunden war er dort gewesen, hatte seine Aufnahmen gemacht und sie über Kabel an die Meistbietenden geschickt.
Noch Jahre später schien sich alles, was er machte, in Gold zu verwandeln. Zeitungen und Journale riefen ständig an, manchmal nur, um zu hören, was er ihnen in der entsprechenden Woche bieten konnte. Er reiste, wohin er wollte, und fotografierte alles, was ihn interessierte, von kriegerischen afrikanischen Stämmen bis zu Fröschen, denen Beine aus dem Kopf wuchsen. Die Fotos wurden ihm aus den Händen gerissen, sobald sie entwickelt waren. Alles nur, weil es seine Fotos waren.
In letzter Zeit war das anders. Vielleicht hatte er seine Portion Glück aufgebraucht. Er war es leid, ständig zu versuchen, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Er war es leid, daraufzuwarten, dass Nachrichten passierten. Vielleicht sollte er selbst welche produzieren. Er presste die Filmdosen in der Hand und hoffte, dass die Aufnahmen gut waren.
Als er sich wieder der Dunkelkammer zuwandte, bemerkte er, dass der Anrufbeantworter blinkte und noch eine weitere Nachricht gespeichert hatte. Okay, vielleicht wollten Parentino oder Rubins die Fotos, die Curtis ablehnte.
Ohne die Hände zu leeren, drückte er den Abspielknopf mit dem Knöchel.
„Sie haben zwei Mitteilungen“, teilte ihm die mechanische Stimme mit und ging ihm auf die Nerven. „Erste Nachricht aufgenommen um 23 Uhr 45 heute.“
Ben sah auf die Wanduhr. Er musste den Anruf gerade verpasst haben, als er hereinkam.
Es kam ein Klicken, gefolgt von einer Pause. Vielleicht hatte jemand die falsche Nummer gewählt? Dann sagte die höfliche Stimme einer jungen Frau: „Mr. Garrison, hier spricht das Büro des Kundenservice von Yellow Cab. Ich hoffe, Sie fanden die Fahrt mit uns heute Abend angenehm.“
Die Filmdosen fielen zu Boden und rollten in verschiedene Richtungen, als Ben sich am Tresen festhielt. Er starrte den Anrufbeantworter an. Keine Taxifirma der Welt rief ihre Kunden an, um sich zu vergewissern, dass ihnen die Fahrt gefallen hatte. Nein, das waren wieder die. Drohanrufe genügten ihnen nicht mehr. Sie waren dazu übergegangen, ihn zu verfolgen. Und hiermit wollten sie ihm kundtun, dass er unter Beobachtung stand.
16. KAPITEL
Justin Pratt wartete vor den Toiletten von McDonald’s. Erstaunlich, wie viel um diese Abendstunde im Lokal noch los war. Aber wo sonst sollten Kinder herumhängen? Scheiße! Für einen Big Mac würde er fast alles tun. Der Frittengeruch ließ ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen, und sein Magen knurrte.
Er hatte Alice arglos vorgeschlagen, dass sie sich einen Happen zu essen holen sollten. Noch ehe sie die Nase kraus zog und ihm diesen empörten Blick zuwarf, hatte er gewusst, dass sie nicht einverstanden war. Ihre unbeirrbare Selbstdisziplin war etwas, wofür er sie bewunderte. Zugleich fragte er sich, wem es denn wehtat, wenn sie sich einen verdammten Cheeseburger genehmigten?
Oje, er musste auf seine Ausdrucksweise achten. Er sah sich um. Allmählich wurde es ihm zur Gewohnheit, sich umzusehen, ob jemand seine Gedanken hörte. Was war bloß los mit ihm? Er machte sich ja selbst Angst.
Er konnte kaum fassen, wie schreckhaft er geworden war. Fast so, als hätte er seine Reaktionen und Gedanken nicht mehr unter Kontrolle. Er kratzte sich das Kinn und fuhr sich mit den Fingern durch das klebrige Haar. Er hasste diese begrenzten Duschzeiten. Das Wasser wurde nie warm, und heute Morgen waren seine zwei Minuten um gewesen, ehe er das Shampoo auswaschen konnte.
Er lehnte sich gegen die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust, um ruhiger zu werden. Warum brauchte sie so
Weitere Kostenlose Bücher