Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele
vermutlich kümmerte es seine Eltern einen Scheiß. Vielleicht hatten sie es noch nicht einmal bemerkt. Jedenfalls hatte es sie nicht sonderlich interessiert, als Eric abgehauen war. Sein Dad hatte lediglich gesagt, er sei alt genug, sich sein Leben zu verkorksen, wenn er das denn unbedingt wolle. Aber er wollte nicht an seine Eltern denken. Nicht jetzt, da er dem einzigen Menschen gegenüber saß, der ihm je das Gefühl gegeben hatte, etwas Besonderes zu sein.
Alice lächelte ihn wieder an, doch diesmal deutete sie über seine Schulter.
„Da ist er ja.“
Brandon schlüpfte neben Alice in die Nische, machte sich breit und drängte Alice gegen die Wand. Sie schien das nicht zu stören, doch Justin ballte unter dem Tisch die Hände.
„Tut mir Leid, ich bin spät dran“, sagte Brandon leise, obwohl er nicht aufrichtig klang. Typen wie Brandon entschuldigten sich so leichtfertig, wie andere sich nach dem Befinden erkundigten.
Justin musterte den großen Rotschopf, der ihn an den toten Schauspieler mit dem Rebellen-Image erinnerte - James Dean. Brandon drehte den Kopf und ließ den Blick überallhin schweifen, nur nicht zu seinen Tischnachbarn. Befürchtete er, dass ihm jemand gefolgt war? Er machte verteufelt den Eindruck. Sein Blick wanderte unruhig umher. Wenn er es nicht besser wüsste, hätte Justin glatt unterstellt, Brandon sei high. Aber das war unmöglich. Brandon gab sich zwar rebellisch, doch er würde nicht wagen, sich Vater zu widersetzen. Und Drogen waren verboten.
„Wir müssen zum Bus zurück“, wies Alice sie ruhig und höflich an. „Die anderen warten schon.“
„Lass mich erst mal zu Atem kommen.“ Brandon sah den Beutel mit Vierteldollarmünzen und griff danach. „Ich könnte was zu trinken gebrauchen.“
Justin wartete, dass Alice Brandon auf ihre leise strikte Art zurechtwies, doch sie starrte nur auf seine Hände. Justin bemerkte, was sie stutzen ließ. An Brandons Knöchel klebte etwas Dunkles, Rotes, das schrecklich nach Blut aussah.
17. KAPITEL
Reston, Virginia
R. J. Tully drückte den Knopf der Fernbedienung und ließ die Fernsehkanäle durchlaufen. Nichts auf der Mattscheibe konnte seine Aufmerksamkeit von der Wanduhr ablenken. Die Uhr zeigte auf zwanzig Minuten nach Mitternacht. Emma kam zu spät. Wieder ein Abend, an dem sie den Zapfenstreich ignorierte. Jetzt war Schluss mit lustig, gleichgültig mit welcher Entschuldigung sie ankam. Es war Zeit, andere Saiten aufzuziehen. Er wünschte sich allerdings, das gelassen erledigen zu können, ohne dass ihm Emotionen dabei im Weg standen.
An Abenden wie heute vermisste er Caroline sehr. Wahrscheinlich ein Zeichen, dass ihn die Vaterrolle langsam in den Wahnsinn trieb. Dass er als heißblütiger Mann ihre langen erotischen Beine vermisste und ihre hinreißend delikate Lasagne dazu, mochte noch angehen. Es gab sicher eine Reihe von Dingen, die ihm mehr fehlen sollten als ausgerechnet ihr tröstender Zuspruch auf der Couch, dass mit ihrer Tochter alles in Ordnung sei.
Caroline war immer sehr kreativ gewesen, angemessene Strafen für Emma zu finden. Sie erkannte zielsicher, was das Mädchen am meisten wurmte, zum Beispiel, einen Monat lang die Socken für den ganzen Haushalt zu sortieren. Solche Sachen fielen ihm einfach nicht ein.
Allerdings waren derlei harmlose Strafen angemessen, wenn eine Acht- oder Neunjährige mit dem Rad die Grenzen des erlaubten Territoriums überfuhr. Eine nachhaltige Strafe für eine Fünfzehnjährige zu finden - ganz zu schweigen von bedeutungsvollen Wegen, sie zu disziplinieren - war jedoch schwer.
Er wischte sich mit einer Hand übers Gesicht, um Müdigkeit und wachsenden Ärger loszuwerden. Er war einfach erledigt, deshalb war er so gereizt. Er ließ die Fox News eingeschaltet und tauschte die Fernbedienung gegen den Beutel Maischips, die er von dem abgewetzten Kaffeetisch nahm. Dazu musste er sich aufrichten und bemerkte die Reste seiner vorherigen Naschattacke aus den Falten seines Cleveland Indians T-Shirt fallen. Grundgütiger, was für eine Sauerei! Anstatt sauber zu machen, ließ er sich jedoch in den Liegesessel zurückfallen. Schlimmer konnte es kaum noch werden. Hier saß er am Samstagabend bei Naschereien vor der Glotze und sah sich die Spätnachrichten an.
Meistens blieb ihm keine Zeit für Selbstmitleid. Carolines Anruf vorhin hatte ihn jedoch nervös, besser gesagt, sauer gemacht. Sie wollte, dass Emma das Erntedankfest bei ihr verbrachte, und schickte am Montag die Flugtickets per
Weitere Kostenlose Bücher