Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele
geheimnisvoller Anrufer.“
Racine nickte.
„Und wir müssen wissen, zu welcher Gruppe die Jungen in der Hütte gehört haben. Wir stehen immer noch mit leeren Händen da.“ Er sah Gwen an. „Es gibt einen Überlebenden. Er weigert sich, eine Aussage zu machen. Er könnte wichtige Informationen haben. Würden Sie einen Versuch wagen?“
„Natürlich“, erwiderte Gwen ohne Zögern.
Maggie sah Tully die Broschüre herausziehen, die er vorhin gefaltet hatte. Sie war noch voller Zieharmonikaknicke, und er versuchte sie auf der Seite mit dem Bild eines Mannes zu glätten. „Ich habe das hier vergessen. Ich habe es Sonntagmorgen am Monument gefunden. Es stammt von der Gruppe, die dort Samstagabend ihre Gebetsversammlung abgehalten hat. Emma glaubt, Brandon gehört zu denen. Und wenn Wenhoffs Bestimmung der Todeszeit korrekt ist, dann wurde das Brier-Mädchen ermordet, während die Versammlung unten noch in vollem Gang war.“
Cunningham beugte sich über den Tisch, um sich das Blatt genauer anzusehen. Maggie verließ ihren Posten am Fenster.
„Das ist es!“ sagte sie, als sie die Blockschrift las: Kirche der geistigen Freiheit. „Das ist die gemeinnützige Organisation, der die Hütte gehört!“
„Sind Sie sicher?“
Sie nickte und blickte Ganza an, damit er es bestätigte. Alle standen auf und beugten sich zu Tully vor, um das Faltblatt zu sehen. Maggie betrachtete das Foto. Ein gut aussehender dunkelhaariger Mann in den Vierzigern mit dem gelackten Aussehen eines Filmstars. Dann las sie die Unterschrift und erschrak. Reverend Joseph Everett. Großer Gott! Der Mann, der ihre Mutter vor der Trunksucht bewahrt hatte, stand vielleicht im Zentrum einer Mordermittlung!
36. KAPITEL
Justin wollte seinen Augen nicht trauen. Verglichen mit dem übrigen Lager sah Vaters Cottage wie ein verdammter Palast aus. Regale voller Bücher, deren Besitz den Mitgliedern verboten war, mit Ausnahme einer persönlichen Ausgabe der Bibel. Die Wände waren mit gerahmter Kunst bedeckt, und an den Fenstern hingen Vorhänge. Auf einem handgeschnitzten Sofatisch stand eine Schale mit frischen Früchten, ein weiteres Gut mit Seltenheitswert. Neben der Schale stand eine Dose Cola. Scheiße! Alice hatte ihm eingeredet, das Zeug sei des Teufels oder irgendso ‘n Scheiß.
Er saß in einem Ledersessel und wartete, wie von Vaters persönlicher Assistentin Cassie angewiesen. Dass er hergebeten, nein herbeizitiert worden war, machte ihn nervös. Vater zitiere ihn herbei, so hatte Darren sich ausgedrückt, als er ihn holte. Vater musste es so gesagt haben, denn ein Idiot wie Darren kam garantiert nicht auf diese Worte.
Er konnte Vaters Stimme aus dem Nebenzimmer, seinem Büro, hören. Eine zweite Stimme hörte er nicht, obwohl Vater sich mit jemandem unterhielt. Offenbar telefonierte er. Noch eine Überraschung. Er musste ein Handy haben, weil nicht mal eine dämliche Telefonleitung ins Lager führte.
„Das klingt aber gar nicht gut, Stephen“, sagte Vater.
Klar, er war am Telefon, denn er hörte Stephen nicht antworten.
„Wie konnte das passieren?“ fragte Vater ungeduldig, ohne auf eine Erwiderung zu warten. „Diesmal hat er einen Riesenfehler gemacht.“
Justin fragte sich, wer da Scheiß gebaut hatte. Dann hörte er Vater sagen. „Nein, nein. Um Brandon kümmern wir uns. Machen Sie sich um ihn keine Gedanken. So einen Fehler macht er kein zweites Mal.“
Brandon? Also hatte der Goldjunge Mist gebaut. Justin lächelte zufrieden, beherrschte seine Freude jedoch, falls er von Kameras beobachtet wurde.
Er versuchte still zu sitzen, doch sein Blick wanderte immer wieder über die verblüffende Umgebung. Büro, Schlafzimmer, verdammt riesiger Wohnraum. Er wusste, dass Vater sogar sein eigenes Bad hatte, vielleicht auch noch einen beschissenen Whirlpool. Verdammt, daran hatte er noch gar nicht gedacht: Der Typ hatte wahrscheinlich auch Toilettenpapier und nicht bloß einfaches, sondern das weiche, weiße, watteartige. Und garantiert war seine Duschzeit auch nicht auf zwei Minuten begrenzt. Bei dem Gedanken fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar. Wenigstens hatte er heute Morgen das ganze Shampoo auswaschen können, ehe sich das Wasser abschaltete. Vielleicht kriegte er den Bogen ja langsam raus. Aber Zähneputzen ohne Wasser, daran würde er sich nie gewöhnen. Der eklige Geschmack der blöden Paste blieb ihm den ganzen Tag erhalten.
„Justin.“ Vater betrat geräuschlos den Raum, ohne Vorwarnung durch Schritte. Er trug
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