Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele
mieser als der Fraß, den wir jeden Tag draußen bekommen.“ Brandon lachte, doch es war gekünstelt.
Hatte der vergessen, dass er ihn durchschaute? Glaubte Brandon wirklich, ihn übertölpeln zu können, damit er ihn ins Vertrauen zog? Ja, Vater war gut. Natürlich würde er seinen besten Freund schicken, die Sache zu erledigen. Welch poetische Gerechtigkeit, als schickte man Judas, um Jesus zu verraten oder Kain, um Abel zu erschlagen.
„Das Essen ist okay.“
Brandon sah sich um und lehnte sich nah an die Trennscheibe. Eric behielt seine Haltung bei, aufrecht auf dem harten Plastikstuhl sitzend. Er fragte sich, wie Brandon es anstellen wollte, ihn umzubringen?
„Was zum Teufel ist da draußen passiert, Eric? Warum hast du die Pille nicht genommen?“ Seine Stimme war gedämpft, doch der Zorn war deutlich zu hören. Eric hatte nichts anderes erwartet. Auch wenn er aufrichtig antwortete, würde Brandon es nicht verstehen, denn der hätte niemals gezögert, das Gift zu schlucken. Brandon hätte Vater zuliebe zehn Zyanidkapseln genommen. Und er würde keine Sekunde zögern, seinen besten Freund zu töten, dessen einzige Sünde es war, leben zu wollen.
„Ich habe sie genommen“, verteidigte Eric sich schwach.
Das war die Wahrheit, zumindest teilweise. Im Übrigen, predigte Vater nicht immer wieder, dass man lügen, betrügen und stehlen durfte, da der Zweck die Mittel heiligte? Nun, der Zweck war sein Überleben. Und plötzlich wurde ihm etwas klar. Wie dumm, dass er das nicht eher erkannt hatte. Weder Brandon noch Vater hatten eine Ahnung, was nach der Schießerei passiert war. Sie wussten nicht, was die Agenten ihn gefragt und was er geantwortet hatte. Wie sollten sie auch? Sie wussten nur, dass er lebte und in Feindeshand war.
Aber vielleicht war ihnen das alles gleichgültig. Er war ihnen zweifellos gleichgültig, andernfalls hätte Vater Brandon früher geschickt. Nein, die interessierten sich nicht für ihn, sondern für seine eventuelle Aussage, obwohl er ja gar nichts hätte sagen können. Was konnte er denen schon erzählen? Dass Vater sie hereingelegt hatte? Dass ihm Waffen und sein eigener Schutz wichtiger waren als seine Anhänger? Warum sollte das FBI sich dafür interessieren?
„Ich kapier das nicht!“ zischte Brandon. „Diese Kapseln hauen angeblich ein Pferd um.“
Eric sah seinem Freund in die Augen und merkte, dass der ihm nicht glaubte. Brandon presste die Kiefer zusammen. Mit einer Hand umklammerte er das Telefon, die andere lag als Faust auf dem kleinen Absatz.
„Vielleicht hatte meine Kapsel keine so hohe Dosis“, log Eric weiter. „Lowell füllt Dutzende davon ab. Vielleicht hat er in meine nicht genügend reingetan.“ Doch die eigene, emotionslose Stimme überzeugte nicht mal ihn selbst.
Brandon sah sich wieder um. Zwei Sitze weiter heulte eine dicke Frau mit fettigem Haar in lauten, feuchten Schluchzern. Er beugte sich noch weiter zum Glas vor, und diesmal machte er sich nicht die Mühe, seinen Zorn zu verbergen. „Scheißdreck!“ spie er leise, aber heftig aus.
Eric zuckte mit keiner Wimper und blieb stumm. Er konnte schweigen. Das hatte er zwei Tage lang bewiesen, während Ankläger und FBI-Agenten ihm ins Gesicht schrien. Er saß weiterhin ruhig und aufrecht da und verbot sich jede Regung, während das Herz ihm heftig gegen die Rippen schlug.
„Du weißt, was mit Verrätern passiert“, flüsterte Brandon heftig in den Hörer. Dieselben Augen, die eben noch nicht gewagt hatten, ihn anzusehen, starrten ihn nun hasserfüllt an. Der kalte Blick nagelte Eric geradezu an den Stuhl. Wann waren Brandons Augen so schwarz, so leer, so böse geworden? „Halte Ausschau nach den Zeichen des Endes“, riet Brandon. „Und denk dran, heute könnte der Tag sein.“
Dann warf Vaters Bote den Hörer auf die Gabel und schob den Stuhl zurück, dass die Metallbeine über den Boden quietschten. Brandon marschierte mit seinem gewohnt sicheren, kecken Schritt hinaus, und niemand bemerkte, dass er soeben Vaters Todesfluch überbracht hatte.
Eric hätte erleichtert sein müssen, dass er Brandons Besuch überlebt hatte, doch ihm war nur übel. Er wusste, zu was Vater fähig war. Er verfügte über ungeheure Macht. Es gab immer mal wieder Mitglieder, die die Kirche verließen - als Verräter. Niemand ging, ohne ein Verräter zu sein. Eric hatte viele Geschichten gehört, einige kannte er aus erster Hand.
In jüngster Zeit war Dara Hardy gegangen. Sie hatte sich entschuldigt, ihre Mutter
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