Magic Cottage
wahrscheinlich säbelte er sich da oben winzige Stückchen Cannabis-Harz ab, denn natürlich hütete er sich, in Gegenwart seiner Gastgeberin einen Joint anzustecken — Midges Antipathie gegen Drogen war in unseren Kreisen wohlbekannt. Offenbar genügte ihm Alkohol als Stimulans heute nicht — kein Wunder, daß er in einer derart herzlichen Stimmung war.
Ich ließ es durchgehen, obwohl ich ziemlich besorgt war, daß es auch Midge auffiel. In der vergangenen Woche hatte ich in Sachen Drogen genügend Prügel bezogen, und das zu Unrecht. Glücklicherweise schien sie jedoch nichts zu merken und Bobs leutselige Art allein dem guten Wein, dem Essen und der netten Gesellschaft zuzuschreiben.
Es war ziemlich spät, als wir die Haustür schlossen, die kühlere Nachtluft aussperrten und nach oben gingen. Midge blieb zurück, um Kaffee zu kochen. Ich hatte im Dorf (in einem Stra-ßenausschank) einen guten Brandy gekauft und schenkte Val, Bob und mir ein. Da ich beim besten Willen nicht wußte, wie man einen Tia Maria mixte, gab sich Kiwi mit Wodka mit »viel, viel Limonade« zufrieden.
Ich widerstand der Versuchung, die Gitaren herunterzuholen, weil ich nur zu gut wußte; wenn Bob und ich erst einmal anfingen, dann würden wir die ganze Nacht weiterspielen. Stattdessen legte ich ein Band auf und stellte das Gerät leise, so daß die Musik die Unterhaltung nicht störte.
Sogar Val schien heiterer und charmanter als je zuvor, selbst als wir uns in einer gutmütigen Diskussion über das Thema »Der Agent — Parasit oder Ernährer?« in die Haare gerieten. Ich glaube, sie war damals Sieger nach Punkten, und ich mißgönnte es ihr nicht.
Das erste Gähnen kam gegen eins auf, und natürlich wurde der reinen Landluft sämtliche Schuld daran zugeschrieben; Bob war trotzdem bereit, die Nacht durchzumachen, aber Midge (wie immer mit klarem Kopf) setzte unsere Gäste über die Betten-Arrangements in Kenntnis und schlug einen vernünftigen Turnus für das Badezimmer vor. Bob und Kiwi sollten im runden Zimmer auf dem Sofa schlafen (das natürlich ausziehbar war), und für Val stand im Zimmer nebenan die Klappliege bereit.
Midge und ich gingen noch einmal nach unten und räumten die Eßsachen ab, während sich die anderen zum Schlafen fertigmachten. Ich kicherte, als ich oben Bobs Impressionen zu Michael Jacksons Sangeskünsten hörte.
Später nahmen wir uns noch die Zeit, vors Haus zu gehen und die Sterne zu betrachten, die hier unwirklicher und zahlreicher schienen als in jedem Weltraumfilm. Ich nahm Midge in die Arme, und wir küßten und liebkosten uns wie Teenager, die von irgendeiner Party nach Hause gekommen waren. Ich war froh, daß ich keinen letzten Zug erwischen mußte.
Als wir wieder nach oben blickten, waren die meisten Sterne hinter sickernden schwarzen Wolken verschwunden. Es sah aus, als hätte es im Himmel einen Stromausfall gegeben.
Ich habe keine Ahnung, wie spät es war, als uns die Schreie weckten.
Wir fuhren beide im Bett hoch wie Kastenteufel. Es war gerade hell genug, daß ich Midges Konturen wahrnehmen konnte; gleich darauf spürte ich, wie sie sich furchtsam an mir festklammerte.
»Oh Gott, Mike, was war das?«
»Ich bin nicht si —«
Die Schreie wiederholten sich, schrill und entsetzlich; unmöglich zu sagen, ob sie ein Mann oder eine Frau ausstieß. Ich tastete nach der Nachttischlampe, und stieß sie fast um, bevor ich den Schalter fand und sie anknipste. Beide waren wir nackt, aber Midge verlor keine Zeit mit dem Überstreifen ihres Nachthemds. Ich schnappte mir den Morgenmantel. Die Tür erreichten wir gleichzeitig.
Aber ich gebe zu: Bevor ich sie öffnete, zögerte ich doch einen Sekundenbruchteil lang. Die Schreie jagten mir Eisschauer durch den Leib; und zwar von oben nach unten. Ich setzte das Schaudern in Tatkraft um und drehte den Türknauf.
Die Tür schwang auf, und die Schreie gellten jetzt noch heftiger und unheimlicher.
Im runden Zimmer brannte eine Lampe; auf dem Boden daneben kniete Kiwi: voller Grauen starrte sie auf eine zusammen-gekauerte Gestalt auf der anderen Seite des Raumes. Diese kauernde Gestalt war Bob, und sein Gesicht war noch mehr vom Entsetzen gezeichnet, es war häßlich und entstellt, wie das eines dieser steinernen Wasserspeier an den Brustwehren der Kathedralen. Was seine Erscheinung um so schockierender machte, war, daß er völlig weiß war. Ich meine es wortwörtlich — vollständig weiß. Vom Gesicht bis hinunter zu Brustkorb und Bauch. Bis zum Bund
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