Magical Village 2 Sonne, Mond und Liebeszauber
genug war, es nicht zu zeigen.
Seit Lewis in die Pubertät gekommen und aus ihrem schönen Kind ein noch schönerer Mann geworden war, litt Zilla unentwegt unter der Angst, dass er einem armen Mädchen antun könnte, was sie selbst erlitten hatte. Wenn er – und alle anderen in Fiddlesticks – meinten, sie sei eine übertrieben überfürsorgliche Mutter, dann war es eben so. Sie hatte triftige Gründe dafür.
Eigenartigerweise, dachte Zilla und nippte in der drückend heißen Dunkelheit an ihrer eiskalten Cola, wäre Amber nun eigentlich genau die Art junger Frau, die sie gerne an Lewis’ Seite sähe. Wenn Lewis doch nur nicht sämtliche Schürzenjäger-Gene seines Vaters geerbt hätte!
Sie schluckte. Die Erinnerungen verfolgten sie noch immer. Zilla hatte sie lange Zeit erfolgreich verdrängt, doch nun, von Big Idas beiläufiger Erwähnung der Sommersonnenwende bis hin zu Ambers Entdeckung der lange verborgenen Schallplatte, schien alles ihr die Vergangenheit wieder ins Gedächtnis rufen zu wollen.
Und wie glaubwürdig waren ihre Erinnerungen denn eigentlich?
Oh ja, der brennende Schmerz und der Liebeskummer, die Verzweiflung in den schlaflosen Nächten und das Gefühl »Ohne ihn kann ich nicht leben«, dann das schier unerträgliche Entsetzen darüber, verlassen worden zu sein, jung, allein und schwanger – all das war ihr durchaus noch gegenwärtig. Aber zuvor, war da wirklich alles so herrlich und wunderbar gewesen, wie es ihr nun rückblickend durch ihre rosa Brille erschien?
Ja, er war die große Liebe ihres Lebens gewesen. Ja, sie hatte ihn über alles geliebt. Und er hatte sie schließlich auch einmal geliebt. Ja, die wilden, verrückten, aufregenden, beglückenden Dinge, die sie miteinander erlebt hatten, hatte sie ja wohl nicht nur geträumt! Es war wirklich die vollkommene, reine Glückseligkeit gewesen, oder nicht?
Sie durfte sich glücklich schätzen, dass sie wusste, wie es war, jung und verrückt und unkonventionell zu sein und so geliebt zu haben und geliebt worden zu sein, dass ihr Herz bei seinem Lächeln jedes Mal Purzelbaum geschlagen hatte und ihr Körper bei seiner Berührung jedes Mal erbebt war.
Manchmal wünschte sie, sie wäre ihm nie begegnet. Aber andererseits gäbe es dann Lewis nicht … Wenn Lewis ihm doch nur nicht so ähnlich wäre!
»Alles okay, Zilla?« Timmy, die Hände voller leerer Gläser, ragte im Türrahmen auf. »Du kannst dich ruhig ein Weilchen hinsetzen, wenn du magst.«
»Nein, mir geht’s gut. Ich hab keine Zeit, mich hinzusetzen – wie du wohl weißt. Ich komme gleich wieder.«
Timmy lächelte zu ihr herunter und einen schrecklichen Moment lang dachte sie, er wolle sie gleich küssen.
»Du arbeitest zu viel.« Er hob die Gläser über seinen Kopf, als eine Horde Jugendlicher mit Baseballkappen und seltsamen dünnen, weißen Kapuzenhemden hereindrängte. »Und vielleicht hattest du recht, dass ich heute Abend zusätzliches Personal
hätte einstellen sollen. Constance und Perpetua stehen gerade hinter der Bar, weil sonst niemand zur Hand war, aber da sie im ganzen Leben noch kein Pint eingeschenkt haben, wird das keine längerfristige Lösung. Fünf Minuten allerhöchstens. Offen gestanden hatte ich nicht erwartet, dass so viel los ist – kann mich nicht erinnern, dass es an Kassiopeia letztes Jahr dermaßen zugegangen wäre.«
»Letztes Jahr hat es geregnet«, erinnerte Zilla ihn. »Wir haben alle in Regenmänteln und Gummistiefeln unsere Wünsche an dunkle Wolken gerichtet. Die Rosenblüten sind in den Pfützen aufgeweicht, bei den Lichterketten sind vom Regen die Sicherungen durchgebrannt, das Barbecue musste drinnen stattfinden und die Ballons sind mit einer steifen Nordostböe in Richtung Winterbrook abgezischt.«
»Himmel, ja … Zum Donner! Ballons! Wo sind die Ballons?«
»Im Keller. Mit dem Helium. Keine Panik – Goff und die Jungs haben das alles im Griff. Deine Aufgabe sind die Kübel mit Rosenblüten, der Kassiopeia-Trunk und das Anfachen des Grillfeuers – und außerdem natürlich die Bedienung von zehntausend Gästen.«
»Kein Stress also.« Timmy drehte wieder um in Richtung Pub. »Und – äh – wenn du noch ein bisschen hier draußen bleiben willst, dann tu das ruhig.«
»Willst du mich loswerden?«
»Von wegen!« Er grinste und zog dann die Brauen hoch, als sein Handy gedämpft zu klingeln begann. »Ooh – äh – das könnte wichtig sein, und es steckt in meiner Hosentasche, ich muss drangehen und sollte mich besser beeilen,
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