Magical
mir einfach so heraus. Das musste ja kommen, in Anbetracht der Tatsache, dass ich es die ganze Zeit dachte – wenn wir uns SMS schrieben, wenn er auf dem Schülerparkplatz die Wagentür für mich öffnete, als er – anders als alle anderen Jungen in der Zehnten – sagte, Sturmhöhe hätte ihm eigentlich ganz gut gefallen. Aber ich hatte es nicht zuerst sagen wollen. Mädchen sollten das nicht. Außerdem, was war, wenn er es nicht erwiderte?
»Ich liebe dich auch, Emma.«
Ich atmete aus. »Puh!«
Er lachte. »Dachtest du, ich würde es nicht sagen? Natürlich liebe ich dich, Emma.«
Natürlich.
Er küsste mich und ich fühlte, wie eine warme Brise über meine Arme und Schultern strich.
»Vielleicht können wir zum Baumarkt fahren, wenn wir mit Lernen fertig sind«, sagte er kurz darauf.
»Klar. Das wird dich für deine gute Arbeitsmoral belohnen.«
Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich.
Ich führte ihn die Stufen zur Haustür hinauf. Anstatt zu klingeln, benutzte ich den Schlüssel, um hinein zu gelangen, was mir eine weitere Minute verschaffte, bevor Mutter Warner in Augenschein nehmen würde. Mutter und ich waren Verbündete geworden in unserem Krieg gegen Lisette. Trotzdem fürchtete ich mich vor ihren Beurteilungen in Bezug auf mich und infolgedessen auch in Bezug auf Warner. Außerdem fürchtete ich mich davor, dass sie mich in Verlegenheit bringen könnte.
Als ich den Schlüssel herauszog und die Tür aufschob, stieß Warner einen vorgetäuschten Seufzer der Erleichterung aus.
»Was soll das heißen?«, fragte ich.
»Wir sind jetzt schon einen Monat zusammen und du hast mich noch nie mit zu dir nach Hause genommen. Ich hatte Angst, ich komme hier in ein Verlies oder so.«
»Wer sagt, dass es keins ist? Du hast ja noch nicht das ganze Haus gesehen.«
»Dann zeig es mir.«
Ich schloss die Augen und wappnete mich, indem ich mir Warners Worte ins Gedächtnis rief. Er hatte gesagt, dass er mich liebte. Er liebte mich. Ich legte Warner die Hand um die Taille und führte ihn in die Höhle des Löwen (womit ich die Küche meine).
Aber es lief nicht schlecht. Mutter schien Warner weder ablehnend gegenüberzustehen, noch war sie peinlich überschwänglich, als hätte sie niemals erwartet, dass ich einen Jungen mit nach Hause bringen könnte. Sie benutzte das Wort »endlich« nur ein Mal, und als ich sagte, wir würden in mein Zimmer gehen, um zu lernen, tat sie nicht so, als könnten wir dort womöglich gleich einen Pornofilm drehen. Sie sagte nur, wir sollten die Tür offen lassen. Das taten viele Moms.
Als wir später in Warners Auto auf dem Weg zum Baumarkt waren, fragte ich ihn: »Was, wenn in unserem Haus etwas gewaltig nicht gestimmt hätte?«
Er lachte, sah dann jedoch, dass es mir ernst war. Er nahm die Hand vom Steuer und streichelte meinen Ellbogen. »Was glaubst du wohl? Ich würde dich trotzdem lieben. Ich bin einfach froh, dass du eine glückliche Familie hast.«
Ich verbesserte ihn nicht, obwohl ich mich fragte, ob einen jemand lieben konnte, wenn man ihm nicht die ganze Wahrheit erzählte.
»Ach übrigens, Ms Meinbach hat mich gefragt, ob ich nicht über das Schultheaterstück nächsten Freitag in der Zeitung berichten will. Sie spielen Into the Woods. Es sollte gut sein. Willst du mit?«
Lisettes Stück! Beruhige dich. Er weiß nicht, dass es Lisettes Stück ist. Es ist einfach nur irgendein Zeitungsauftrag für ihn.
»Ähm, klar. Denke schon.«
»Na ja, überleg es dir. Es klingt, als wäre es genau das Richtige für dich – eine Menge Märchen, eine Art Mischmasch daraus.«
Das wusste ich schon. Lisette spielte Aschenputtel.
» … und sie will, dass ich ein paar der Schauspieler interviewe und eine Art Feature daraus mache. Da ist dieses Mädchen aus der Zehnten, Lisa irgendwas, sie soll super talentiert sein.«
Tief durchatmen. Er weiß nicht, wer sie ist. Er liebt dich.
»Sie spielt Aschenputtel.«
Trotzdem. In meinen Ohren erklangen Gitarren und das Lied Stand by Your Man , deshalb sagte ich: »Klar, ich gehe mit. Klingt nach Spaß.«
Warner schien nicht einmal zu bemerkten, dass meine Stimme zitterte.
˜ ˜ ˜
In der folgenden Woche sagten Warner und ich hundertmal »ich liebe dich«. Es war, als hätte sich ein Portal geöffnet oder die Büchse der Pandora, und alles stürzte heraus. Wir sagten es morgens, bevor wir in unsere unterschiedlichen Klassen gingen, schrieben es auf Zettelchen, die wir einander in den Schließfächern hinterließen, oder in
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