Magie der Schatten 1 - Barshim und Cashi
Streitereien zwischen den anderen Kindern. Ich habe keine Lust mehr auf Magistratoren, die unbedingt deinen Geist ergründen wollen, um die Herkunft deiner Magie und deiner Stärke festzustellen, um dann alles in ihre Bahnen zu lenken. Warum muss immer alles so sein, wie sie wollen? Warum lassen sie mich nicht einfach in Ruhe? Ich will doch nur Ruhe.«
Er klang müde, traurig und resigniert.
»Warum erzählst du das nicht Filyma?«
»Warum versteckst du deine Magie vor den anderen?«, konterte er.
Beide schwiegen. Der Wind schwieg auch, als trauere er mit den beiden Kindern und wolle mit ihnen Abschied nehmen. In weiter Ferne erklang der dunkle Schrei eines Nachtjägers.
Auf einmal drückte Barshim ihre Hand. »Ich mag dich, du Isgrin.«
»Und ich dich, du Bento.« Cashimaé lächelte ihn an und strich sich dabei eine Strähne des braunen Haares aus dem Gesicht. Barshim griff in seinen Ausschnitt und holte etwas heraus. Vor ihren Augen öffnete er die Hand. Darin lag schimmernd im sanften Licht des Mondes ein silbernes Medaillon. In einem Ring befand sich ein schlichtes Dreieck, an dessen Spitzen kleine blaue Steine funkelten. Sah man genauer hin, konnte man Schriftzeichen erkennen, graviert in den schmalen Außenring, die durch sein Alter nur noch schwer zu entziffern waren.
Cashimaé fuhr vorsichtig und ehrfürchtig mit den Fingerspitzen darüber. Es fühlte sich warm an und schien in sich selbst zu leben.
»Eine Einheit bildet, was von jeher eine Einheit war und dem, der glaubt, die Sicherheit einer ganzen Welt bietet«, las sie die Inschrift. In einer Sprache, die kaum noch einer sprach, die fast niemand kannte und doch waren die Worte für die Kinder so selbstverständlich wie das Atmen.
Barshim legte es ihr um den Hals und schaute sie dann ernst an. »Es soll dich an mich erinnern.«
Sie erwiderte seinen Blick. »Niemals werde ich dich vergessen. Wir sehen uns bestimmt bald wieder.«
»Wir werden! Das schwöre ich bei den Elementen.« Danach saßen sie nebeneinander, hielten sich bei den Händen und ließen die Nacht mit all ihren Geheimnissen auf sich wirken.
*
Der Morgen brachte Sturm vom Meer. Filyma wendete den Kopf zu Barshim, der tief versunken in seinem Mantel auf seinem Pferd saß. Sie nickte Shorbo wissend zu. Es war deutlich, dass Barshims Stimmung mit dem Wetter im Einklang war und die Magistratera wollte es auf keinen neuen Streit anlegen. Shorbo trat an Barshims Seite und überprüfte noch einmal das Zaumzeug des Tieres.
Die Augen des Jungen waren geschlossen, nur seine Lippen bewegten sich hin und wieder lautlos. Die Energien, die er dabei verströmte, waren deutlich spürbar.
Der Kreisführer betrachtete ihn eine Weile und legte schließlich eine Hand auf die des Kindes. »Unzufriedenheit ist kein guter Begleiter, mein Freund. Sie lässt uns Notwendigkeiten oft falsch beurteilen.« Barshim blickte ihn an, er wirkte abwesend und in sich zurück gezogen. »Ich wünsche euch eine gute Reise. Es wäre schön, wenn wir uns bald wiedersehen.« Damit trat Shorbo zurück und verbeugte sich. Der Wind beruhigte sich ein wenig, doch die grauen Wolken blieben.
»Bestimmt«, antwortete Barshim mit fester Stimme und brachte sogar ein zaghaftes Lächeln zustande.
Shorbo sah ihnen lange nach. Vergeblich suchte er nach seinem Mädchen, die schon morgens verschwunden gewesen war.
Filyma und Barshim ritten in die Hügel hinaus und die Hänge hinunter. Auf einmal hob Barshim den Kopf.
»BARSHIIIIM!!!!« Cashimaé rannte, so schnell ihre Füße sie trugen, über die Anhöhe. Vögel rund um sie erhoben sich schreiend in die Luft. Sie hatte sich nicht von ihm verabschieden wollen, denn er sollte keine Tränen in ihren Augen sehen.
Der Junge lachte auf. Sie winkte und lief mit dem Wind. Glücklich hob Barshim die Hand und winkte zurück. »Wir sehen uns wieder!«, rief er laut.
»Temané!"*, erklang ihre helle Kinderstimme. Sein Lächeln wurde weicher und er ließ die Hand langsam sinken.
»Ja«, sagte er mehr zu sich selber. Filyma winkte ebenfalls noch einmal und veranlasste dann ein schnelleres Tempo. Barshim zügelte sein Pferd erneut und blickte zurück. Cashimaé hatte fast das Ende des Hügels erreicht. Für ihn war dieser Augenblick etwas Besonderes. Noch nie in seinem bisherigen Leben, vertraute er jemandem so sehr, dass er seine Energien mit diesem Menschen teilte.
Genau dies tat er in diesem Moment.
Er ließ seine Gedanken und seinen Geist wandern, in die Strömungen des Windes, nahm
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