Magie der Schatten 1 - Barshim und Cashi
heißem Tee, der bereit stand. »Ich hatte dich frühestens in einem Monat erwartet.«
Tamin ließ sich nieder. »Die Wege sind frei, ehrenwerter Kreisführer, und wie ihr es wünschtet, machte ich mich auf den Weg, sobald das Reisen möglich war. Schön ruhig habt ihr es hier.«
»Aé. Was gibt es Neues zu berichten?«
Tamin ergriff den Becher und nahm einen tiefen Schluck. »Die Nachricht kam aus den Tendaren zu uns, dass Anectis eine neue Armee aufstellt. Es wird mir eine Freude sein, ihn gemeinsam mit den anderen wieder in die Flucht zu schlagen.« Er legte eine Pause ein und trank, bevor er fortfuhr: »Filyma war mit Barshim in der Stadt.«
Shorbo zündete seine Pfeife an und lauschte dem Bericht des jungen Mannes. Tamin erzählte von Filymas Veränderungen, die sogar er sah, und betitelte Barshim als eigensinnig und verzogen. Der Magier berichtete weiterhin von den politischen Gegebenheiten. Etwas abfällig sprach er über die Menschen, die immer wieder bei dem Kreis Hilfe für Ländereien erbaten.
Shorbo blies Rauch in die Luft. »Du solltest die Menschen nicht so negativ betrachten, Tamin. Sie sind ein Teil unserer Welt. Ein Land in Gerechtigkeit zu führen bedeutet, alle Wesen gleich zu sehen.«
Tamin schüttelte den Kopf. »Das Gleiche hat der Circanprefect Liyiells mir auch schon gesagt. Ich soll euch übrigens von ihm grüßen.«
Shorbo lächelte. »Savinama? Er war in Comoérta?«
Tamin nickte, doch es sah nicht begeistert aus. »Aé, fast zwei Wochen, ich werde es wohl nie verstehen. Es kann kein Schiff wegen der Eisplatten reisen, doch der Kreisführer Liyiells schafft es immer wieder zu erscheinen, wie es ihm gerade beliebt, um dann Tage in unseren Bibliotheken zu verbringen.«
Der zynische Unterton ließ Shorbo aufhorchen und er runzelte die Stirn. Tamin bemerkte den Blick und zuckte zusammen. »Verzeiht, ich wollte nicht…«
Shorbo war schon oft aufgefallen, dass Tamin den Kreisführer Liyiells nicht wirklich mochte, aber so offensichtlich wie heute, hatte er dies nie gezeigt.
»Davon ab, dass es nicht unsere Bibliotheken sind, sondern die von allen, ist deine Art, wie du über Savinama sprichst, nicht unbedingt die, die ich akzeptieren kann. Ist irgendetwas zwischen euch vorgefallen, das ich wissen sollte?«
Der junge Magier schwieg kurz. »Naé.«
»Wenn ich mich recht entsinne, ist der Kreisführer gerade dir gegenüber immer sehr freundlich und hilfsbereit.« Mit diesen Worten wurde Shorbos Blick auf den Jüngeren eindringlich.
Nur nicht in wichtigen Fragen, dachte Tamin, sprach es jedoch nicht aus. Stattdessen sagte er: »Ich habe mich im Ton vergriffen. Verzeiht mir, es wird nicht wieder vorkommen. Wo ist denn das Kind, es ist eine Ewigkeit her, dass ich sie das letzte Mal gesehen habe?«
»Welches Kind?«, erklang eine melodische Stimme hinter ihm. Tamin wandte sich auf der Bank um.
Shorbo setzte die Pfeife wieder an. »Und manchmal erscheint uns die Ewigkeit viel zu kurz.«
Wollte Tamin eben noch etwas sagen, blieben ihm nun die Worte weg. Vor ihm stand ein junges, großgewachsenes Mädchen. Das Haar fiel seidig bis zu den schlanken Hüften hinunter. Den Pony kurz geschnitten, leuchteten ihre Augen wie Sterne. Bereits die ersten Anzeichen von weiblichen Rundungen ließen sie älter als ihre zwölf Jahre scheinen.
Schnell sprang er auf die Füße und hätte fast die Bank dabei umgestoßen. »Verzeiht mir, ich…« Er schluckte die Worte hinunter und verbeugte sich, indem er die Hände übereinander legte. Sie blieb einfach stehen und sah ihn an. Er war gerade noch zwei Köpfe größer, aber wenigstens das ließ ihn noch an das Kind denken, das dort scheinbar vor ihm stand.
»Cashimaé, dies ist Tamin, ein Kreismitglied Natriells. Du erinnerst dich sicherlich nicht mehr an ihn. Es ist schon viele Jahre her, dass er uns das letzte Mal besucht hat. Er ist ein Magistratero. Er wird dich die nächsten Monate in die Regeln der Schule einweisen und dich weiter unterrichten in der Grundmagie.«
Sie musterte den Magier ganz unverhohlen und offen. Tamin wollte sie gerade dafür tadeln, als ihm der unschuldige Blick auffiel, mit dem sie dies tat. Der Vergleich mit einem Küken kam ihm dabei in den Sinn. Wie sie treu um die Glucke liefen und alles nachahmten, was die Alte tat, im Vertrauen, dass es das Richtige war. Natürlich, das Mädchen war ausschließlich unter der Obhut der Wiesen und des Kreisführers groß geworden. Sie hatte keinen Grund in Gut oder Böse zu unterscheiden.
Weitere Kostenlose Bücher