Magie der Schatten 1 - Barshim und Cashi
Sie schlug nach ihm, nahm aber lachend das Brot an, das er ihr mit der anderen Hand entgegen hielt.
Ilias wirkte etwas verloren, denn Cashimaés Stab ruhte noch immer an seiner Kehle. »Ähm, hallo Leute. Barshim, pfeife deinen Wachhund zurück!« Doch Barshim ignoriert ihn.
Cashimaé ließ auf einmal die Schultern fallen und zog den Stab zurück. »Ich biiinn niiichcht die seine Wach..und.« Ihre Worte kamen langsam, bemüht die richtige Aussprache zu finden, dabei zog sie Vokale zu deutlich in die Länge. Sie trat einen Schritt zur Seite und ließ Ilias am Feuer Platz nehmen, bevor sie sich selber niederließ.
»Also, was soll dieser mitternächtliche Besuch?«, wiederholte Barshim seine Frage.
Sie sahen sich untereinander kurz an. »Hm«, meinte Ilias. »Wir haben den anderen bei den Aufräumarbeiten geholfen und uns dann überlegt, da fast unser ganzer Besitz dieser übergroßen Fledermaus zum Opfer gefallen ist, können wir auch mit euch ziehen.«
Mariella hob herausfordernd den Kopf und warf ihr rotes Haar in den Nacken. »Und wagt es nicht, was dagegen zu sagen. Schließlich haben wir euch zu verdanken, dass alles weg ist. Da müsst ihr jetzt durch. Keine Wiederrede!« Erst war es still, doch dann fingen alle an zu lachen.
Es dauerte bis zum Morgengrauen, bevor sie sich endlich zum Schlafen niederlegten. Cashimaé lag noch lange wach und sah in den Himmel hinauf. Freunde, sie hatten wirklich Freunde gefunden. Etwas sehr Seltenes. Kostbarer als jeder Schatz der Welt. Sie legte ihre Hände vor ihre Brust. Ausgerechnet jetzt fiel ihr die Kopfblinde aus Natriell wieder ein. Sie war durch ihre Hand gestorben. Cashimaés Herz zog sich zusammen. War es dieses Gefühl, das man als Reue betitelte? Vielleicht taten sie den Menschen Unrecht. Sie nahm sich fest vor, bei Gelegenheit intensiver darüber nachzudenken. Jetzt wollte der Schlaf ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.
*
Am nächsten Tag holten alle zusammen die wenigen Habseligkeiten der Freunde aus einem naheliegenden Versteck und machten sich zusammen auf den Weg. Wohin es ging, konnte niemand sagen. Fröhlich plaudernd suchten sie sich gemeinsam einen Weg durch die weiten Berge, durch satte, grüne Wälder und raue Felswände. Es sah aus, als würde hier die Unendlichkeit beginnen.
Nach weiteren fünf Tagen, als ihr Proviant knapp wurde, sahen sie in der Ferne Rauch aufsteigen, der von einem Lagerfeuer zu stammen schien.
»Hm, könnte ein Dorf der wenigen Einsiedler sein, die es hier gibt«, mutmaßte Ilias. »Kannst du versuchen, es herauszufinden?« Er wandte sich an Barshim.
»Nein.« Barshims Antwort klang heftiger als beabsichtigt. »Ich werde keine Magie mehr anwenden.« Seine Worte duldeten keinen Widerspruch.
»Ist ja schon gut.«
»Das Lager ist etwa einen Tagesritt entfernt. Wir werden dort unten in der Senke übernachten und uns in Ruhe überlegen, ob wir morgen früh in die Richtung weiter reiten werden.«
Ilias zog die Stirn in Falten und folgte ihm zurück zu den anderen. »Aber warum? Unsere Vorräte sind fast aufgebraucht. Wir müssen langsam ein anderes Lager finden, wenn wir nicht von Pilzen und Beeren leben wollen. Oder Moos.« Ilias schüttelte sich bei diesem Gedanken.
»Keine Magie! Ich habe ein ungutes Gefühl, das ist alles.«
»Aber mit Magie bräuchten wir nicht hungern…« Der finstere Blick, den er von Barshim kassierte, ließ ihn vorsichtig werden.
Die Gruppe erreichte kurz vor Einbruch der Dunkelheit die Stelle, die Barshim gemeint hatte. Bald schliefen alle.
In dieser Nacht hatte Cashimaé einen seltsamen Traum. Sie sah sich selbst in der roten Wüste stehen. Alles wirkte weit ab von ihr. Sie spürte Wut, Zorn und unendliche neue Kraft. War sie allein zurückgekehrt? Sie konnte Barshim nicht sehen, ihn nicht fühlen, egal, wie sehr sie suchte, er war nicht da – sie spürte nur Leere. Nicht das warme Streicheln, wenn sein Geist sie berührte, einfach nichts. Überlagerte der Zorn in ihr die Traurigkeit? Sollte das etwa heißen, dass er vernichtet worden war? Nein! Nur das nicht.
Im Halbschlaf tastete sie neben sich, aber sie griff ins Leere. Stattdessen vernahm sie eine bekannte Stimme: »Hallo, meine Schöne, Zeit zum Aufstehen!« Augenblicklich fuhr sie in die Höhe. Torbens schmutziges Gesicht lachte sie an.
Kapitel 34
Der Zug der Pferde trottete langsam den schmalen Pfad entlang, der sich neben dem Bergabgrund befand. Ilias schimpfte leise vor sich hin, bis ihn jemand von hinten gegen den Kopf schlug und ihn
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