Magie der Schatten: Roman (German Edition)
seine Arme und Beine flatterten spannungslos hinter ihm her. Die Felswand raste auf ihn zu. Er wollte die Augen schließen, das Gesicht wegdrehen, aber nicht einmal das ließ der Zauber zu. Mit dem Gesicht zuerst prallte er auf den harten Stein. Ein krachendes Geräusch in seinem Gesicht, ein stechender Schmerz in der Nase. Sie stand schief zur Seite, warmes Blut lief ihm über die Lippen auf das Kinn. In seinen Augen sammelten sich Tränen. Er wollte nicht weinen, nicht wegen diesem bisschen Schmerz …
Sein Körper wurde wieder herumgerissen, gelähmt bis in die Fingerspitzen, unfähig zu jedwedem Zauber. Aus seinen Taschen purzelten die kleinen Feuerblütensteine. Sie landeten auf dem Boden neben Lenia und kullerten zu dem Zauberer. Mehr konnte er aus den Augenwinkeln nicht mehr wahrnehmen. Er krachte mit dem Rücken gegen die Minenwand. Steingrate bohrten sich hinein. Ein Keuchen vor Schmerz erstickte in seinem Hals. Der Magier ließ ihn von der Wand stürzen und beschleunigte seinen Fall noch. Hustend und wimmernd kam Nairod auf dem Boden auf. Offenbar ließ die Kontrolle nach.
Er wollte Arme und Beine bewegen, aber dort saß die Lähmung noch immer. Nur den Kopf konnte er heben.
Mit gespreizten Beinen stand der Magier ihm gegenüber. Eine Hand wies in seine Richtung und hielt den Zauber aufrecht. Mit der freien Hand hob der Mann den größten Feuerblütenstein auf, der zu seinen Füßen lag.
Nairod wand sich und strampelte, aber nur in Gedanken. Keiner der Befehle wurde an seinen Körper weitergeleitet.
Der Mann holte aus und wollte das rote Stoffbeutelchen werfen. Nairod konnte nichts tun. Er würde in Stücke gerissen werden.
»Nein!«, rief da eine weibliche Stimme. Hastige Schritte, und plötzlich stand Lenia vor ihm. »Das nicht!«
Sie hielt die Hände erhoben und wehrte die heranfliegende Sprengladung ab. Die prallte in der leeren Luft von ihrem Schild ab und flog zurück. Der Telekinetiker warf sich nach hinten, aber noch in seiner Bewegung explodierte die Welt.
Die ersten Nuancen des Donners drangen an Nairods Ohr, dann wurden sie von einem schrillen Pfeifen übertönt. Das Geräusch wurde leiser, hörte ganz auf und ließ ihn in einer stummen Hölle zurück. Die Explosion züngelte für den Bruchteil einer Sekunde in spitzen Flammen um die Kugel herum, mit der Lenia sie umgeben hatte. Fels brach, zersprang und regnete von den Wänden. Der Staub der zerstörten Steine legte sich über die unsichtbare Schutzglocke.
Lenia hatte die ganze Zeit über reglos dagestanden. Jetzt ging sie in die Knie. Staub rieselte von oben auf Nairods Haare. Er schloss die Augen. Seine Finger ließen sich wieder bewegen. Langsam kehrte auch das Pfeifen in seine Ohren zurück, und mit ihm auch die schwachen Echos seiner Bewegungen und Laute. Bröckelnder Stein, das Rascheln seiner Kleidung.
Er raffte seinen Körper zusammen wie ein abgetragenes Kleidungsstück. Gelenke und Knochen protestierten bei jedem Schritt. Er griff sich Lenia, hob sie hoch – wie schwer sie war – und trug sie aus dem Staubregen heraus.
Die einzigen Überreste des Mannes, der ihn hatte töten wollen, waren dunkle Kleiderfetzen, die sich vom Boden abhoben. Auf einem Stück zerrissener, blutverschmierter Lumpen prangte das Telekinetiker-Wappen.
Nairod setzte Lenia an einer Lore ab und hustete sich den Staub aus den Lungen.
Lenia schlug langsam die Augen auf, sah ihn aber nicht an. »Ich wollte doch nicht, dass so etwas geschieht …«
»Hah.« Er wischte sich den Mund ab. »Zumindest hast du dich im richtigen Moment entschieden.«
»Ich habe mich nicht entschieden . Ich wollte nicht, dass ihr kämpfen müsst. Von Anfang an nicht. Überhaupt hätte niemand verletzt werden sollen. Du blutest.« Die Haare klebten ihr wirr im schweißbedeckten Gesicht, und es hatte sich eine dünne Staubschicht darübergelegt.
»Ach ja.« Nairod betrachtete die Hand, mit der er den Staub hatte fortwischen wollen. Rotes Blut bedeckte sie. »Dann hättest du die Telekinetiker nicht informieren sollen. Du hättest auch nicht mit dem Buch davonlaufen sollen.«
»Das habe ich nicht getan, Nairod. Du weißt es.«
»Egal. Du kannst mich jetzt ohnehin nicht mehr aufhalten.« Er pflückte eine der immerbrennenden Laternen von der Wand, ein besonderes Werk der Feuermagiebegabten. Jetzt würde es ihm nützen. »Ich habe den Drachen gefunden. Er wird mir helfen, die Formel zu verwenden.«
Das Blut rann ihm noch immer aus der Nase. Er wischte es achtlos weg.
Sax
Weitere Kostenlose Bücher