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Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Magie der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lisowsky
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holen. Wenn er und sein Volk bloß wüssten, dass er damit so unrecht nicht hat.« Er steckte eines der Messer wieder weg. »Solange wir den Geheimgang haben, sind wir im Vorteil. Wo ist Rattenfinger?«
    Dorian sah sich unter den vielen fremden Menschen um, die ihm auch in den Wochen ihrer Reise nicht vertrauter geworden waren. Rattenfinger , der Name gehörte zu einem Jungen mit schmalen, dürren Händen. Aber im Augenblick gab es um ihn nur alte Gesichter mit Falten.
    »Er hat es nicht geschafft«, sagte einer der Söldner. »Sie haben ihn erwischt, noch draußen vor der Mauer. Aber ich glaube nicht, dass sie irgendwelche Schlüsse gezogen haben, und der Tunnelgang existiert auch noch. Das hat dich doch interessiert, oder?«
    »Wunderbar«, sagte Vicold. »Wir gehen im …«
    Die Worte verschwanden aus Dorians Wahrnehmung, denn über den Baumwipfeln geschah etwas. Rasch, fast lautlos. Es warf einen gewaltigen Schatten, so viel spürte er.
    Plötzlich schienen die Baumkronen herabzustürzen. Äste brachen, Blätter wirbelten umher. Mit einem mächtigen Donnern krachte etwas gegen zwei Baumstämme. Borke sprang ab und flog umher. Knirschend brachen die Bäume zur Seite. Eine mächtige Steinkugel schlug in den Erdboden ein und rollte über Büsche und Moos hinweg. Wenige Meter vor den Söldnern kam sie zum Stehen, aber sie hatte ein gewaltiges Loch in die grüne Deckung über ihnen gerissen.
    »Teufel!«, rief jemand. Alle sprangen auf.
    Durch das Loch blickte Dorian in den Himmel. Wolken zogen dort vorbei – und weitere der riesigen Steine flogen heran. »Sie zielen auf uns«, sagte er, und plötzlich wusste er es mit der Gewissheit des Todes. »Sie zielen auf mich.«
    »Unsinn!« Vicold zog sich an niedrigen Ästen in die Höhe. »Woher sollten sie von unserer Existenz wissen? Dieser uralte Kaiser muss mich längst vergessen haben, und Euch kennt er nicht einmal.«
    Ein fallender Stein zerlegte das Unterholz hinter ihm in fliegende Brocken aus Erde und Vegetation.
    Ein Krabbeln auf Dorians Arm verriet ihm, dass Sax daran heraufkletterte. Der Erl brüllte zu den Söldnern: »Wo ist euer verdammter Geheimgang? Wir müssen dorthin!«
    Vicold verfolgte den Flug weiterer Steine. »Über die Straße. Wir müssen über die Straße. Los, alle Mann!«
    Geschlossen rannten sie durch das Dickicht, während um sie herum der Wald dröhnend zerschmettert wurde. Sie liefen durch die dunklen Spuren, die die Geschosse auf dem Waldboden hinterlassen hatten. Äste, Erde und halb verfaulte Blätter aus dem letzten Herbst waren zu einer ebenen Masse zusammengequetscht worden.
    Auf der Straße hielt Dorian an. Die Stadt in hundert Metern Entfernung spie die Steine im Dutzend in die Luft. Außerdem sandte sie jetzt einen Regen aus feinen, dünnen Nadeln in ihre Richtung.
    »O Ewiger! Pfeile!«, schrie jemand.
    Dorian hob vorsichtig eine Hand. »Sax, darf ich mich wehren?«
    Der kleine Mann sprang auf seiner Schulter auf und ab. »Jetzt ja, jetzt ja!«
    Seit langer, langer Zeit beschwor er erstmals wieder die Schatten. Die Wälder boten ihm ihre endlosen Schätze an Dunkelheit dar, und er entriss sie ihnen. Schwärze schlich sich aus Moosgrotten, aus versteckten Fuchsbauten, aus Astlöchern und vom weiten Waldboden heran.
    Die Söldner standen wie erstarrt da und sahen dem Pfeilregen entgegen, während sich neben ihnen die Schatten zu Wolken auftürmten. Dorian ließ seine Hand wieder sinken. Er brauchte sie überhaupt nicht mehr dazu. Mit seinem Geist strich er die Wolken glatt und formte sie zu einer Haube, die er über die Männer stülpte.
    »Gut, gut!« Sax hielt sich an seinen Haaren fest.
    Geräuschlos schlugen die Pfeile zu Hunderten in die Hülle aus Dunkelheit. Ihre Spitzen lugten hier und dort als glitzernde Spitzen hindurch, so dass der Eindruck eines Sternenhimmels entstand. Als keine weiteren Pfeile mehr kamen, ließ Dorian die Schatten ihre Gestalt wechseln. Aus der Schutzkuppel lösten sich Körper, die Menschen ähnelten. Ihre Arme waren lange, spitze Klingen, und ihre Haare glichen Strängen aus dunklen Wolken. Er verlieh ihnen allen das Gesicht des Mädchens, das ihn besucht hatte. Aber Sax durfte das nicht sehen.
    »Geht in den Tunnel, wenn ihr wollt«, sagte Dorian zu einem der Söldner, der sich hilflos auf den Boden geworfen hatte.
    »J-ja, Herr.« Aufgerissene Augen starrten ihn an.
    Die Wand vor ihm verblasste mit jedem Schattenkrieger, der aus ihr wuchs. Die Pfeile regneten herab und prasselten jetzt auf die

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