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Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Magie der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lisowsky
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meine den Drachen für das Schauspiel«, sagte Raigar. »Eine riesige Konstruktion aus buntem Stoff und gefärbtem Papier. Die grünen Schuppen bestehen aus einzelnen übereinandergeschichteten Blättern, die Zähne sind angespitzte Kreidestücke und die Flügel gestärkte Papierschichten, die vom Körper abstehen. Unten ist die Konstruktion offen, so dass einige Männer und Frauen hineinschlüpfen können. Sie halten dann den Drachenkörper und laufen mit ihm durch die Straßen. Ganz so, als wäre der Drache noch lebendig.«
    »Ich kenne das Schauspiel.« Elarides blickte trüb in die erleuchtete Nacht. »Der Drache trifft auf den wilden Jäger, der ihn tötet. Auch im Südreich wird die Szene nachgestellt. Anschließend dürfen sich alle Kinder auf den Jäger stürzen und ihm das Kostüm vom Leib reißen. Es soll so aussehen, als wäre er bezwungen worden.«
    Raigar nickte. »Das ist wahrscheinlich leider nicht die Wahrheit. Aber es muss ein Ende geben, das nicht abgrundtief traurig und ungerecht ist. Menschen mögen keine hoffnungslosen, ungerechten Geschichten.« Er schwieg einen Moment lang. »Du sprichst nicht viel in den letzten Tagen. Scheint fast, als würdest du mir nacheifern wollen.«
    »Gewiss nicht.« Elarides sah zur Seite. »Ich bin noch immer ein Gefangener, und du bist mein Wächter. Wir haben uns nicht viel zu sagen.«
    »Geh, wenn du willst. Ich halte dich nicht auf.«
    »Du weißt selbst sehr gut, dass das nicht funktioniert. Ich kann fliehen und sterben, oder ich kann hierbleiben. So leicht kannst du die Verantwortung nicht abstreifen.«
    In Raigars Gesicht zuckte es. Nur eine winzige Bewegung, die niemand sonst hätte wahrnehmen können.
    »Schau, da vorn kommt der Laternenaufmarsch«, sagte er. »Und der Drache.«
    Eine Gestalt mit vielen Beinen schlängelte sich zwischen den Häusern hindurch. Der schuppige Kopf wurde hin und her geworfen. Rhythmisch schepperten Schellen zu den Bewegungen. Es schien, als seien die Klänge Schläge, unter denen der Drache sich wand. Das Schuppenkleid, aus dem die Flügel ragten und sich seitlich abspreizten, reichte nur bis zur Hüfte der Menschen, die sich darunter verbargen. Aber sie trugen grüne Hosen und Schuhe mit hakenartigen Verzierungen an den Spitzen, so dass sie an Drachenbeine erinnerten.
    Das Wesen eroberte sich den Platz mit seinen ruckenden Bewegungen, und ihm folgte eine Reihe aus Lichtern. Die Fackeln blakten und entließen dichten Rauch in den Himmel. Sogar in den Straßen, die sie schon passiert hatten, stieg Rauch auf. Die Fackelträger kamen nicht nur von einer Seite auf den Platz, sondern von vieren. Auf jeder Seite zählte er an die fünfzig Männer.
    »So viele können es doch gar nicht sein«, sagte Elarides leise.
    Raigar aß weiter von seinem Teller.
    Der Rauch in den umliegenden Straßen quoll beständig weiter auf, obwohl sich die Fackelträger jetzt alle auf dem Platz befanden.
    »Raigar! Irgendetwas stimmt nicht.«
    Auch die Menschen um sie herum brachen ihre Gespräche ab. »Es brennt!«, hallte es durch die Menge. Die Menschen hörten es nicht oder überhörten es einfach. Aber Raigar drehte sich um, während die Fackelträger sich auf dem Festplatz verteilten. Sie nahmen fast so etwas wie eine Formation ein, mit der sie die Feiernden einschlossen.
    »Brakas«, flüsterte Raigar. Strähnen von grauem Haar verdeckten sein Gesicht, aber die Stimme verriet den grimmigen Ausdruck.
    Die Fackelträger kamen näher, und das Licht der Fackeln spiegelte sich wider auf Schwertklingen, auf Speerspitzen und auf eisernen Brustpanzern, die die Gravur des kaiserlichen Löwenkopfs trugen.
    »Unmöglich. Niemand kann Brakas die Erlaubnis dazu gegeben haben. Er wird einen Krieg anzetteln.«
    »Meinst du, das kümmert ihn?«, fragte Elarides. Seine Blicke suchten die anderen Söldner. Einige erhoben sich gemeinsam mit den Stadtbewohnern.
    »Wenn er einen Krieg beginnt, wird der Kaiser ihn für diese Vermessenheit nicht bloß enthaupten lassen, das kann ich dir versprechen.«
    Eine bizarre Ruhe beherrschte den Platz. Auch die Musikanten waren verstummt. Nur das Knistern von Feuer und das Stampfen der Schritte auf dem Felsboden erfüllten die Luft.
    Wortlos warfen die Soldaten Fackeln in die umliegenden Häuser. Sie wirbelten durch die Luft und durchstießen die kunstvollen Vorhänge, die die Bewohner der Stadt gefertigt hatten. In brennenden Fetzen segelten sie zu Boden, und die Fackeln entflammten die Wohnungen hinter den Fenstern.
    Männer und

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