Magier des dunklen Pfades 1 - Die Suche (German Edition)
und gab den Blick auf einen Hohlraum frei. Darin befand sich ein Schlüssel, gerade mal halb so lang wie sein kleiner Finger. Er nahm ihn heraus und beugte sich zu ein paar mottenzerfressenen Kleidersäcken hinab, die er beiseite drückte. Dahinter stand eine große, Truhe, staubbedeckt, ohne Verzierungen, ganz unscheinbar. Beim Aufsperren klickte es zweimal – es war ein ausgefeilter Schließmechanismus –, und der Deckel sprang auf. Mit angehaltenem Atem stierte Gerom auf den Inhalt: ein wuchtiges, den Zähnen eines Kraliks nachempfundenes Eisengebiss, an denen altes Blut klebte, inzwischen fast schwarz, und darunter die zwei Vorderpranken des Kraliks, dessen Kopf im Schankraum hing. An einer Kralle klebte ein verdorrter Hautfetzen.
Die Kiefer so fest aufeinandergepresst, dass die Backenzähne leise quietschten, drückte er den Deckel herunter und schloss die Truhe ab.
„Scheiße“, wisperte er, wohl wissend, dass drei Monate schneller vergehen würden, als ihm lieb war.
***
Vorsichtig ließ sich Lorgyn in das blubbernde Wasser sinken. Es war angenehm warm, und das Gefühl neuer Kraft durchströmte ihn. Als die Wasserlinie seinen rechten Oberarm erreichte, um die sich ein behelfsmäßiger Verband schlang, hielt er inne. Sich auf Schmerz einstellend, tauchte er unter. Außer einem leichten Ziehen spürte er nichts. Zufrieden glitt er an den Rand des Beckens und legte sich eine eigens dafür vorgesehene Bauchung, sodass sein Körper unter Wasser war, sein Kopf aber herausschaute. Es war der dritte Tag nach der Begegnung mit dem Kralik. Am ersten Tag hatte er Schüttelfrost und Fieber bekommen, das erst am darauffolgenden Nachmittag abflaute. Duria, die während dieser Zeit bei ihnen vorbeischaute, um sich um Aluna zu kümmern, wich er aus, indem er sich in den Keller schleppte und wartete, bis sie wieder verschwand. Wenn er ihr die Wunde gezeigt hätte, hätte sie unweigerlich ihre Schlüsse gezogen. Bisher wusste niemand in Eisbach, wer den Kralik erlegt hatte – und so sollte es auch bleiben.
Einige Meter neben ihm, die Augen geschlossen, der Körper entspannt, ließ sich Aluna, von den aufsteigenden Blasen an der Oberfläche gehalten, entspannt treiben.
Wasser schwappte Lorgyn ins rechte Ohr, weil neben ihm Arlo etwas unbeholfen ins Wasser plumpste.
„Welche Wonne“, seufzte der Chronist, machte es sich neben Lorgyn gemütlich und schloss die Augen.
Danach herrschte für einige Zeit Schweigen, und Lorgyns Gedanken, unaufhörlich in Bewegung wie immer, beleuchteten den momentanen Stand der Dinge: Das mit dem Kralik hätte viel schlimmer ausgehen können, Aluna hielt sich wacker – obwohl sie aufgrund seiner Verletzung zwei Tage lang nicht hier gewesen war –, im Dorf rätselte man weiter über den Kralik-Töter. Alles in allem war die Welt in Ordnung.
Trotzdem habe ich durch diesen Zwischenfall drei Tage verloren.
Er brannte darauf, seine Experimente fortzuführen.
Experimente, so nennst du das also, meldete sich sein Gewissen zu Wort. Dass Töten von Tieren lässt sich mit wissenschaftlichem Begehren nach Wissensmehrung vielleicht noch begründen und verantworten. Dein nächster Schritt allerdings …
Er kniff die Augen zusammen, die Stimme aber blieb. Er öffnete die Lider, starrte nach oben, wo das Dunkelgrau der Abenddämmerung auf die offene Kuppel des Badehauses drückte, den heiß aufsteigenden Dampf jedoch passieren ließ. Er wollte Sterne zählen, um sich abzulenken, aber von mattem Mondschein umflorte Wolken verdeckten die Sicht.
Experimente, was für ein niedlicher Ausdruck! Du kleiner Lügner! Malst dir wieder alles schön, nicht wahr?
„Wie geht es dir?“, fragte Lorgyn den Chronisten. So die Stimme seines Gewissens schon nicht verstummen wollte, würde er sie eben übertönen!
Arlo sah ihn an, sein Blick schläfrig. „Danke. Soweit gut, auch wenn ich seit – na, du weißt schon – von geifernden Raubtiermäulern und glosenden Feueraugen träume.“
„Deine Hände?“
Nach einem wachsamen Rundumblick – aufgrund der späten Stunde waren sie fast die einzigen Gäste – hob Arlo die Hände aus dem Wasser: Brandblasen und feuerrote Haut. Hätte schlimmer kommen können. Das wäre bald verheilt.
„Schmerzen?“
„Geht so“, entgegnete Arlo und tauchte sie wieder ins Wasser.
„Gut. Dann ist jetzt die Zeit für reinen Wein, oder?“ Er spürte, wie sein als leichtfertig gedachtes Lächeln etwas krumm wurde. „Woher weißt du, wer ich bin?“
Arlos Lächeln
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