Magier des dunklen Pfades 2 - Der Alte Bund (German Edition)
Woche zusammen gesehen hatte, träumte er jede Nacht – nicht nur von Aluna, sondern allem Möglichen. Der Anblick, wie sich beide küssten, hatte irgendetwas aufgebrochen, eine Art Traumspeicher vielleicht, der sich jetzt in seinen Geist ergoss. Das lenkte ihn auch tagsüber ab, sodass er große Mühe hatte, die geistige Losgelöstheit zu erlangen, die für das Verfeinern der magischen Künste vonnöten war. Solange dieser Zustand der Ablenkung und Zerstreutheit ihn beeinträchtige, war es sinnlos, den Zauber des Seelentransfers ein zweites Mal zu wagen.
»Was hast du diesmal geträumt?«
»Die Flammen steigen höher, verzehren ihre Körper. Trotz der Qualen hallt die Stimme meines Vaters über den Richtplatz: Ich verzeihe euch! Ich verzeihe euch, weil ihr nicht versteht. Und werft ihr den Iros-Glauben nicht ab, so wird das eines Tages euer aller Untergang sein!« Lorgyn schüttelte den Kopf, schloss kurz die Augen, presste die Zeigefinger auf die Schläfen. Er fühlte sich wie zerkaut und wieder hochgewürgt.
»Du warst nicht dabei«, sagte Arlo sanft. »Du projizierst das, was wir während der letzten Tage herausgefunden haben, in deine Träume. Ich denke, das ist ganz normal.«
Lorgyn nickte. Er sollte etwas erwidern, doch eigentlich wollte er gar nicht reden, wollte keine Gedanken in Silben pressen, nur schlafen. Ohne Träume. Aber das ging nicht: Zu wichtig waren die neuen Erkenntnisse. »Mein Verstand scheint sich schwer damit zu tun, dass sich alles, was nach Verblendung und Verfehlung aussah, nun als rechtschaffenes, verantwortungsvolles Handeln entpuppt. Alles ist auf den Kopf gestellt, als hätte man ein feuchtes Ölgemälde herumgedreht: Die Farbe zerfließt, und plötzlich sieht es anders aus. Völlig anders.«
Arlo nickte. »Auch ich habe meine Probleme, die bestehenden Ismen einfach über Bord zu werfen, selbst wenn ich wahrlich kein glühender Anhänger des Iros-Glaubens bin.« Er grinste etwas einfältig. »Eigentlich habe ich gar keinen Glauben, ich beobachte nur. Aber was Hunak Valgas’ Dokumente« – er ließ die Hand auf den kleinen Stapel sinken, den er jüngst bearbeitet hatte – »andeuten, kann man nicht einfach in den Wind schlagen. Und das führt zu einer äußerst grotesken Situation. Die Iros-Kirche will Magie ausrotten. Aber genau jene Magie ist unabdingbar, damit Dargolash nicht seine Fesseln sprengt und die Welt in ewige Finsternis stürzt.« Arlo seufzte tief. »Es ist meine Pflicht, diese Erkenntnis zu verbreiten. Wie jedoch soll ich das anstellen, ohne sofort auf dem Scheiterhaufen zu landen?« Er wurde leiser. »So ich überhaupt dazu komme und Genthate mich nicht vorher kriegt.«
»Das werde ich nicht zulassen. Und was die andere Sache betrifft: Durch Hunak kennst du bestimmt einige einflussreiche Leute, die dir bei der Verbreitung der Wahrheit helfen und dich auch beschützen können.«
»Ich bin nicht Hunak Valgas«, murmelte Arlo. »Als Historiker und Chronist mag ich ihm kaum in etwas nachstehen. Sein Charisma jedoch besitze ich nicht.«
»Blödsinn. Wenn die Menschen merken, dass du felsenfest an das glaubst, was du sagst, hören sie dir auch zu.«
Arlo lächelte. »Das wäre schön.«
»Warte es ab. Und denk dann an mich.«
»Ich würde mich freuen, wenn du dabei wärst – als mein Oberbeschützer sozusagen.«
Lorgyn lachte – das erste Mal seit Tagen, wie er betrübt feststellte. »Falls das eintritt, ist alles zu unseren Gunsten verlaufen.« Um seine Heiterkeit war es allerdings im Nu geschehen, weil er im selben Atemzug daran denken musste, welche Hürden – geistig wie seelisch – noch vor ihm lagen.
»Heißt das, du willst mich begleiten?« Aufkeimende Hoffnung schnitzte zwei feine Grübchen in Arlos Pausbacken.
»Vielleicht.«
»Nicht nur für mich wäre es gut, so rasch wie möglich von hier zu verschwinden.« Er sah Lorgyn eindringlich, beinahe flehend an. »Befreie dich von dem, was passiert ist. In zwei Wochen ist Durlum vorbei. Zwei Wochen – und wir sind weg!«
Nach dem Schock, dass Alunas Zuneigung nun einem anderen galt, hätte Lorgyn um ein Haar dem inneren Drang nachgegeben, sein Herz auszuschütten und Arlo alles zu erzählen: sein Motiv für die Morde, seinen ursprünglichen Plan, an dem er trotz vieler Rückschläge weiterhin festhielt. Doch er hatte es – wie das eine Mal davor, kurz nachdem er Niam und Durias Mutter umgebracht hatte – wieder nicht getan. Lediglich dass Aluna sich neu verliebt hatte, hatte er in einem Nebensatz
Weitere Kostenlose Bücher