Magier des dunklen Pfades 2 - Der Alte Bund (German Edition)
Kindes, dem ein Altersgenosse das Zuckergebäck geklaut hatte.
Du musst die Kontrolle bewahren. Nur das zählt im Moment.
Er fasste sich an die Nasenwurzel, drückte leicht, schloss die Augen. Dann öffnete er sie wieder, hoffend, der Anblick ließe sich besser ertragen.
Eine vergebliche Hoffnung.
Völlig vergeblich sogar.
Aluna und der Fremde küssten sich! Sie schmolz in seinen Armen dahin, gab dem Kunden seiner Zunge bereitwillig nach.
Lorgyn war im Begriff aufzustehen, als plötzlich ein ältlicher, gebückter Mann auf die beiden Turtelnden zuschlurfte.
»Hör auf damit, du Haderlump!«, wetterte er unvermittelt los.
Erschrocken löste sich das jungverliebte Paar. Während Aluna ertappt dreinschaute und die Röte der Scham in ihre Wangen floss, wurde die Miene ihres neuen Partners nach dem ersten Schreck hart und finster.
»Warum gönnst du mir dieses Glück nicht, Vater? Du hattest dein Leben, ich das meine nicht!«
»Aber in der Öffentlichkeit!« Die zusammengekniffenen Augen des Alten schwelten wie zwei Kohlestücke über einer auffällig schmalen, langen Nase, die beiderseitig eine kleine Eindellung aufwies, als würde er ständig Luft einsaugen. »Das ist schändlich, Turdon! Höchst schändlich!«
»Wen stört es denn?«, konterte sein Sohn. »Nur Iros weiß, wie lange mir noch bleibt. Was kümmern mich da die anderen Leute?«
Darauf wusste der Alte offensichtlich nichts zu sagen. Er schnaubte nur und watschelte von dannen.
Plötzlich drehte er sich noch einmal um und hob erbost den Stock. Ohne Gehhilfe schwankte er bedenklich vor und zurück. »Niemand trägt die Schuld daran, dass die Krankheit bei dir so früh ausgebrochen ist, hörst du? Eine Spur Sittlichkeit könntest du dennoch bewahren!«
Turdons Gesicht straffte sich, die Haut über den Wangenknochen schimmerte pergamenten. Er schien etwas sagen zu wollen, überlegte es sich jedoch anders und wandte seinem Vater den Rücken zu.
Dem stieg die Röte der Wut vom Hals bis in die Stirn. Er wedelte noch heftiger mit dem Gehstock, holte tief Atem – und stürzte nach hinten.
Einen unterdrückten Schrei von sich gebend, prallte er auf die marmornen Platten und blieb erst einmal liegen. Wahrscheinlich hatte er sich alle Knochen gebrochen.
Weit gefehlt: wildes Rudern mit Armen und Beinen, einem Käfer gleich, der auf dem Panzer lag und sich nicht herumdrehen konnte.
»Grean!«, brüllte der Alte. »Wo zum Henker steckst du?«
Ein junger Bursche um die fünfzehn oder sechzehn eilte herbei.
»Na endlich, du Nichtsnutz!«
Als Belohnung für seine Mühen bekam Grean einen satten Stockschlag auf den Oberschenkel. Zuschlagen konnte der alte Pfeffersack, selbst im Liegen.
Grean zuckte zusammen, fasste sich an die getroffene Stelle. »Ihr habt doch ausdrücklich darum gebeten, in Ruhe gelassen zu werden, weswegen ich …«
Der nächste Schlag brachte ihn zum Verstummen. Leise wimmernd hievte er den Alten in die Höhe, der in seinen Armen hing wie ein Strohsack. Nur den Stock, den umklammerte er wie ein Besessener.
Als er wieder auf beiden Beinen stand, kredenzte die alte Eiterpustel Grean eine weitere Dreingabe, die quer auf seinen Rücken klatschte.
»Und jetzt tummle dich, du Erbsenhirn!«
Grean stolperte davon.
Dieser Alte war ja die Pest schlechthin!
Lorgyns Blick nagelte sich in den gebeugten Rücken des Mannes, und er verspürte den Drang, ihn stürzen zu lassen, ganz so, wie er diese Megäre Firna zu Fall gebracht hatte. Schnee gab es keinen, den er mittels Magie hätte aufhäufen können. Aber ein Schwall Wasser oder ein Luftschlag, und der Griesgram läge wieder am Boden. Mit etwas weniger Glück würde er sich diesmal – verdientermaßen – wirklich ein paar Knochen brechen.
Mühsam hielt Lorgyn sich zurück, denn ein Plan nahm Gestalt an, während sein Blick abwechselnd vom Vater zum Sohn pendelte. Ja, zwei passende Kandidaten. Beide waren schwer krank und wohnten höchstwahrscheinlich im selben Gebäude.
Vermissen würde die beiden eh niemand: Die Menschheit würde gut ohne den alten Krauterer auskommen.
Und Lorgyn gut ohne Turdon.
*
Vom Traum aufgeschreckt, fuhr Lorgyn hoch, atmete schwer, sein Herz raste. Er schluckte, unterdrückte ein Seufzen und setzte sich zu Arlo, der den Federkiel auf ein mit Tintenflecken besprenkeltes Tuch legte und ihn ansah.
»Wieder von deinen Eltern geträumt?«
»Ja.« Lorgyn senkte den Kopf und fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar. Seit er Aluna und Turdon vor knapp einer
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