Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone
Holmes«, sagte er daher. »Ich war an Mister Dunholms Seite, als er im Sterben lag. Ihr Name gehörte zu den letzten Worten, die ihm über die Lippen kamen. Was immer zwischen Ihnen beiden in der Vergangenheit vorgefallen sein mag, er hielt noch immer so große Stücke auf Sie, dass er mir, einem ihm völlig Fremden, ausdrücklich Ihren Namen nannte und nicht den irgendeines Ordensmitglieds. Er vertraute darauf, dass Sie die Dinge in Ordnung zu bringen vermögen.«
Es gelang Holmes nicht ganz, seine Überraschung zu verbergen. »Ist das wahr?«
»Das wissen Sie doch besser als jeder andere«, brummte Randolph mit rauer Stimme. »Sie waren vielleicht das schwarze Schaf – oder vielmehr der bunte Hund – der Ordensfamilie, aber für Dunholm waren Sie Familie.«
Der Magier presste die Lippen zusammen, und in seine Augen trat ein feuchter Schimmer. »Der sentimentale alte Bock«, murmelte er. Er stellte seine Teetasse ab, zog ein Taschentuch aus der Brusttasche seines Morgenmantels, tupfte sich damit die Augenwinkel ab und schnäuzte sich schließlich geräuschvoll die Nase. Als er sich wieder gefangen hatte, nickte er. »Also schön. Von mir aus. Was soll’s? Das Kind scheint mir ohnehin in den Brunnen gefallen. Aber vielleicht gelingt es uns ja, es wieder herauszuholen, bevor es ertrinkt. Womit wollen wir beginnen?«
»Zuerst die Grundlagen, damit er weiß, wovon wir sprechen«, schlug Randolph mit Blick auf Jonathan vor.
»In Ordnung.« Holmes schniefte noch einmal, blinzelte und räusperte sich. Anschließend steckte er das Taschentuch weg und legte die Finger wieder zusammen. Gespanntes Schweigen senkte sich über den Raum, während Jonathans Gegenüber sich sammelte. »Magie …«, begann er schließlich. »Magie kennen Sie, Mister Kentham, vermutlich nur aus den Zaubertheatern auf Jahrmärkten und den drittklassigen Unterhaltungsetablissements von London. Aber die Darbietungen, die es dort zu sehen gibt, das Hervorzaubern von weißen Kaninchen aus Hüten und das Zersägen von Jungfrauen, sind nichts weiter als Taschenspielertricks, geschickte Illusionen, um ein leichtgläubiges Publikum in Erstaunen zu versetzen. Das ist keine echte Magie. Vielleicht haben Sie auch schon von Geheimgesellschaften gehört, von den Rosenkreuzern oder vom Orden der Goldenen Morgendämmerung, die von sich behaupten, mittels Tarot und jüdischer Kabbala, Alchemie, sogenannter Hermetik und noch fragwürdigeren Techniken rituelle Magie zu wirken. Alles Augenwischerei, ein bedauerlicher Irrglaube von entweder schlauen Manipulatoren oder verblendeten Narren, denen ihr eigenes kleines Leben nicht bedeutend genug ist und die daher in der trüben Dunkelheit des Okkultismus nach höheren Wahrheiten fischen. Auch das ist keine echte Magie.« Holmes neigte den Kopf. »Noch etwas Tee?«, fragte er höflich.
Jonathan brauchte eine geschlagene Sekunde um den Sinngehalt der Frage zu verstehen, sosehr hatte er sich von den Ausführungen ihres Gastgebers in Bann schlagen lassen. »Äh … ja, gerne.«
Er wollte aufstehen, um Holmes seine halb leere Tasse hinzuhalten, doch dieser kam ihm zuvor. »Oh, bemühen Sie sich nicht. Halten Sie nur bitte die Tasse gut fest. Das ist teures chinesisches Porzellan.«
Geradezu beiläufig bewegte er zwei Finger, und auf einmal erhob sich die Teekanne wie von selbst von dem Tablett und schwebte zu Jonathan hinüber. Der hätte seine Tasse, trotz Holmes’ Warnung, vor lauter Überraschung beinahe fallen lassen. Mit aufgerissenen Augen verfolgte er, wie die Kanne von unsichtbarer Hand nach vorne geneigt wurde und ihm Tee nachschenkte. »Das …«, sagte Holmes mit triumphierendem Lächeln. »… ist echte Magie.«
In seinem Rücken hörte Jonathan Randolph leise lachen.
Er stellte seine Tasse ab und fuhr mit seinen Händen vorsichtig um die Kanne herum durch die Luft. Aber da war nichts, was sie hätte halten, geschweige denn bewegen können. Er spürte nur ein ganz leichtes Kribbeln in den Fingerspitzen, ein Kribbeln, wie er es schon einmal gespürt hatte, im Turm des Fleischmarkts am Smithfield.
Mit faszinierter Miene wandte er sich Holmes zu. »Ich möchte alles darüber wissen.«
19. April 1897, 20:52 GMT
Schottland, Herberge von Rowardennan, am Ufer des Loch Lomond
Giles McKellen lächelte und nickte. »Und du sollst alles erfahren, meine liebe Kendra, aber alles zu seiner Zeit. Ich möchte mit dem Wesen der Magie beginnen, wenn du gestattest.«
»Aber ich kenne das Wesen der Magie. Ich habe es
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