Magische Insel
man jetzt noch über diese Berge reiten?
Meine Augen wanderten nach Südwesten.
Überrascht stellte ich fest, dass ich die dunklen Nadelbäume auf den unteren Hängen deutlich erkannte. War auf den Bergen weniger Schnee gefallen als auf den Hügeln davor?
Ich zitterte und zwang mich, noch ein paar Bissen des harten Brots zu essen. Dann erklärte ich meinem widerspenstigen Körper, dass es an der Zeit sei, locker zu werden. Der Protest kam so schnell und so heftig, dass ich beinahe alles wieder von mir gegeben hätte, was ich gerade gegessen hatte. Vor Enttäuschung traten mir Tränen in die Augen. Ich lehnte mich an Gairloch.
Ich musste mich bewegen. Ich schmolz Schnee für Gairloch und gab ihm den Rest des Haferkuchens. Die Hälfte des Proviants in Justens Sack war für das Pferd bestimmt. Diese Aufteilung wäre mir nie in den Sinn gekommen.
Während ich mich abmühte, den Proviantsack wieder auf Gairloch zu laden, fragte ich mich, wie lange es wohl dauern würde, bis ich selbst vernünftig vorausplanen konnte. Nun, die Versorgung mit Proviant war keine große Sache, aber Justen hatte in der kurzen Zeit vor meiner Flucht aus Jellico einen Großteil seiner Vorräte in den verblichenen grauen Leinensack gepackt, und das mit mehr Voraussicht, als ich seit meiner Ankunft in Freistadt bewiesen hatte.
Justen – ich vermisste den Grauen Magier schon jetzt. Nun musste ich sämtliche Entscheidungen allein treffen, und ich hatte gerade erlebt, wie wenig ich über die wirkliche Welt Candars wusste. Aber Justen war auch nicht besser gewesen als mein Vater, als Talryn, Tamra oder ein halbes Dutzend anderer Menschen, die mehr wussten als ich, sich jedoch geweigert hatten, dieses Wissen mit mir zu teilen. Jeder hatte mir gerade soviel mitgeteilt, um mir klarzumachen, dass es noch viele unbeantwortete Fragen gab … und mir erklärt, ich müsse selbst die Antworten finden.
Die Krähe war wieder da, wahrscheinlich wartete sie darauf, dass Gairloch und ich bald starben. Doch diesbezüglich hatte ich andere Vorstellungen.
Gegen Mittag schwang ich mich schließlich wieder auf Gairloch, obgleich der Himmel immer noch grau war, und ließ ihn bestimmen, wie rasch er durch den Schnee stapfen wollte. Er vermied die vom Wind kahlgefegten Stellen, weil der Boden dort eisig war, und arbeitete sich am Rand der Straße weiter vorwärts.
Im Gegensatz zu mir schien es ihm Spaß zu machen.
Mir tat der Bauch weh. Die Kopfschmerzen waren zwar verschwunden, aber meine Augen brannten, und meine Hände zitterten.
Gairloch setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Ich ließ ihn gewähren und nahm nur ab und zu einen Schluck aus der Wasserflasche, die ich unter meinen Umhang gesteckt hatte. Sie enthielt halb Wasser und halb Eis.
Trotz der eisigen Windböen schwitzte ich. Die Schweißtropfen wurden auf meiner Stirn zu Eis, ehe sie gleich wieder schmolzen.
Nachmittags wurde der Himmel dunkel, aber die unteren Hänge der Osthörner waren näher gekommen, und der Schnee lag nur knöcheltief. Wichtiger war die Tatsache, dass es vorher offenbar nicht geregnet hatte, so dass die kahlen Stellen nicht vereist waren. Gairloch ging trotzdem lieber im leichten Schnee als auf dem gefrorenen Lehm.
Ich hatte keine Schweißausbrüche mehr, auch die Kopfschmerzen waren verflogen. Aber mir war leicht schwindlig, und ich fühlte mich schwach.
Ich hielt nach einem geeigneten Rastplatz Ausschau, aber das Gelände war immer steiniger und kahler geworden, je näher wir den Vorbergen der Osthörner kamen.
Starker Wind kam auf. Der Himmel verdunkelte sich noch mehr. Ich spähte durch die Schneeflocken und suchte nach einer Hecke oder einem anderen Platz, der vor dem Wind Schutz bot.
Gairloch wieherte laut.
»Ja, ich bin ganz deiner Meinung.«
Die Nacht war noch nicht angebrochen. Ich hätte noch weiterreiten können, aber da tauchte neben der Straße ein Schatten auf. Eine verlassene Kate? Eine Schutzhütte? Keine Ahnung, aber es war mir einerlei. Ich setzte meine Kraft aufs Spiel, um zu erspüren, ob die Hütte ungeordnet war, und bekam sofort wieder die Kopfschmerzen, die ich beinahe vergessen hatte. Die Hütte war frei von Chaos. Ich hatte alle vier Wände untersucht. Das Dach bestand aus Schieferplatten, von denen die Hälfte fehlte. Unter einem Loch im Dach befand sich eine offene Feuerstelle.
Die Tür fehlte, ebenso die Läden vor den ovalen Fenstern. Es zog fürchterlich, aber die Reste der Tür und der Läden reichten, um ein Feuer zu entfachen,
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