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Magische Insel

Titel: Magische Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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nicht Destrin, die arme Seele. Du bist es. Was hast du vor? Destrins Werkstatt samt der Tochter übernehmen und ihn auf die Weide schicken?« Die Frage war wie beiläufig gestellt, aber seine dunklen Augen durchbohrten mich.
    Langsam schüttelte ich den Kopf. »Zuweilen wünsche ich, ich könnte das tun. Alles wäre viel einfacher. Aber es wäre weder ehrenhaft noch richtig. Ich bin nun einmal ein Geselle, in vielfacher Hinsicht, und muss noch viel lernen.«
    Grizzard bemühte sich, kein Wort unseres Gesprächs zu verpassen.
    Perlot nickte. »Bostric wird nie deine Klasse erreichen.«
    »Mit etwas Zeit und Ausbildung wird er ein guter Schreiner werden.«
    »Möglich.« Der Meister lächelte. »Aber mach dich nicht zu klein, junger Mann. Du hast dich sehr verändert, seit du herkamst. Außerdem besteht ein Unterschied zwischen der Güte deiner Schränke und deiner Seele.« Er lachte. »Armer Destrin, erstklassige Seele, aber …«
    »Ich glaube nicht, dass man gutes Holz ohne Ordnung in der Seele richtig verarbeiten kann«, erklärte ich.
    »Ich auch nicht, mein Junge. Aber eine ordentliche Seele ist noch keine Garantie für gute Arbeit. Eine ordentliche Seele allein macht noch keinen Ordnungs-Meister aus.« Er stand auf. »Was wirst du wegen des Stuhls im Fenster unternehmen?«
    »Nichts. Es ist Euer Entwurf.« Ich grinste. »Nun ja … wenn ich etwas zustande bringe, das genauso gut – aber natürlich anders – ist …«
    »Das meinst du ehrlich, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Grüß Destrin von mir, Lerris. Tu, was du kannst, solange du hier bist.«
    Damit verabschiedete er mich unvermittelt. Ich ging, doch nicht ohne einen letzten Blick auf den Stuhl im Fenster zu werfen.
    Gairloch wartete in der lauen Frühlingsluft.
    Jetzt wieherte er laut.
    »Ja, ich weiß. Du hast zuwenig Bewegung, aber eines Tages machen wir eine längere Reise. Sei froh, dass du nicht Holzstämme zu den Sägemühlen schleppen musst.«
    Gairloch schien nicht beeindruckt zu sein. Ich tätschelte ihm den Hals, nachdem ich aufgestiegen war. Er schmeichelte mir nie. Grundehrlicher Gairloch.
    Perlots Bemerkungen über Bostric lagen mir im Magen. Auch wenn ich es nicht gern tat, würde ich früher oder später mit Brettel reden müssen. Destrin wurde immer schwächer, und ich war nicht in der Lage, seinen Tod zu verhindern.

 
XLVI
     
    E in unbekannter Vogel schmettert sein Lied hinter dem Olivenhain.
    Leise Schritte erklingen auf dem Kies des Hofs vor den Stallungen der Kavallerie.
    Neben der Stalltür flackert eine einzige Fackel. Ein müder junger Bursche im Grün des Autarchen schlummert friedlich daneben.
    Eine Frau mit langem dunklen Haar bleibt stehen und blickt auf den Jungen hinab. Sie trägt das Kleid eines Bauernmädchens, hat aber auf dem Rücken einen prallen Rucksack, dessen Gurte ihr tief in die Schultermuskeln einschneiden.
    Sie nickt mit trauriger Miene und verschwindet im dunklen Stall. Dort geht sie bis zur dritten Box.
    »… ruhig … ganz ruhig …«
    Die dunkelhaarige Frau stellt den Rucksack ab und entnimmt ihm die beiden weichen Lederbeutel mit dem schweren Pulver darin, die sie von den Unterkünften der Ingenieure hergeschleppt hat. Als nächstes verstaut sie die Lederbeutel in zwei Satteltaschen, die sie sorgfältig verschließt. Die Landkarte lässt sie im Gurtband des Rocks stecken.
    Sie geht ans Ende des dunklen Stalls und legt den Rucksack in eine Ecke. In ein oder zwei Tagen wird man ihn dort entdecken, aber nicht wissen, weshalb er dort liegt. Ihre Abteilung rückt morgen gegen die Rebellen aus Freistadt aus.
    Mit lautlosen Schritten geht sie an ihrem Pferd und dem schnarchenden Stallburschen vorbei wieder hinaus. Gleich darauf schlüpft sie in ihr Gemach und zündet eine Kerze an. Der Frau auf dem schmalen Bett schenkt sie keinerlei Beachtung. Sie reißt sich die Bauernbluse und den Rock herunter und steigt in die Wanne. Das Wasser darin ist inzwischen kalt, da sie es nach dem Abendessen eingelassen hatte.
    »Um diese Zeit, Krystal?« fragt die blonde Frau mit verschlafenen Augen und setzt sich auf.
    »Nie … wieder … ganz gleich, weshalb.«
    »Was?«
    »Schon gut.« Die dunkelhaarige Frau deutet auf ihr Bett. »Siehst du die Schere?«
    »Ja, warum?«
    »Bringst du sie mir?«
    »Du willst doch nicht …«
    »Doch! Wie ich schon sagte, nie wieder, auch nicht für die beste Sache.« Sie hat sich abgetrocknet und zieht die verblichene Unterwäsche an.
    »Du redest wirr.«
    »Stimmt. Zum ersten Mal.« Sie lächelt,

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