Magische Insel
drehte mir den Rücken zu, deshalb konnte ich sein Gesicht nicht sehen, aber ich vermutete, dass es trotz der weißen Haare faltenlos war. Der andere Soldat war jung und dünn und hatte schwarzes Haar. Sein Gesicht ähnelte dem eines Wiesels.
Der Frau gegenüber saß ein Mann, der in makelloses Weiß gekleidet war. Selbst aus der Entfernung von über zehn Ellen sah ich, dass seine Augen alt waren, obgleich er kaum älter als Koldar zu sein schien – vielleicht um die Dreißig. Doch diese Augen hatten schon viel gesehen. Mich schauderte. Ich senkte den Blick, als er in meine Richtung sah.
Der Mann in Weiß lächelte. Sein Lächeln war freundlich und wohlwollend. Ich spürte, wie sich alle im Raum entspannten. Doch ich kämpfte gegen die Woge der Entspannung, weil ich mir von niemandem sagen ließ, was ich zu fühlen hatte. War er der Mann in der goldenen Kutsche?
»He, ihr da hinten. Ich sehe, dass ihr friert. Möchtet ihr nicht etwas Wärme?« Ich spürte, dass er mich anschaute, aber er deutete auf drei Gestalten, die neben und hinter mir an der Trennwand saßen. Die beiden Männer und die Frau trugen graue Steppjacken und waren demnach Hirten. Sie überhörten die Frage und blickten stur zu Boden.
»Nun gut«, sagte der Mann in Weiß. »Ich sehe, dass ihr aus dem kalten Schneesturm gekommen seid. Die Wärme geht auf meine Kosten.« Er streckte die Hand aus. Ich spürte, wie die Kälte und die Feuchtigkeit schwanden, obwohl wir weit vom Feuer entfernt saßen.
Die Frau schaute den Magier nicht an – es war offensichtlich, dass er ein Magier war. Dann machte sie eine Geste, als weise sie die Wärme zurück. Die beiden Soldaten blickten zu Boden.
Und ich … Zum ersten Mal war mir gemütlich warm, seit ich auf Gairloch von Hrisbarg fortgeritten war. Es war, als stünde der lange Tisch, an dem ich saß, direkt vor dem Kamin. Dennoch war mir trotz der Wärme, die der Magier gespendet hatte, tief im Innern kalt. Das Ganze kam mir irgendwie vertraut vor, als hätte auch ich die Wärme herbeirufen können, obgleich ich keine Ahnung hatte, wie dies geschehen sollte. Ich verspürte auch keine Lust, es zu versuchen.
An einem kleinen Tisch in der Ecke beim Kamin saß ein weiterer Mann. Er war der einzige im vollbesetzten Schankraum, der allein saß. Er trug eine dunkelgraue Tunika mit langen Ärmeln, die über einer gleichfarbenen Hose gegürtet war. Ein dunkelgrauer Lederumhang hing über der Lehne des Nebenstuhls.
Sein Haar war hellbraun, wirkte jedoch wie grau. Doch schien er mir nicht sehr alt zu sein.
»Der Mann in Grau …?« fragte ich den Schreiner.
»Arlyn, nenn mich Arlyn.« Seine Augen waren verschleiert, doch nicht vom Alkohol, sondern als hätte er in weite Fernen geblickt. »Mädel! Bring noch einen Most!« Arlyn schwenkte den braunen Humpen durch die Luft. Einige Mosttropfen flogen mir ins Gesicht.
Ich wischte mir die Tropfen ab und fragte Arlyn: »Wer ist der Mann in Grau?«
»Justen. Ein Grauer Magier. Beinahe so schlimm wie der Weiße Antonin. Antonin nimmt deine Seele und deinen Körper – sagt man zumindest.« Wieder schwenkte er den Humpen.
Diesmal kam die Schankmaid.
»Was habt ihr einem Reisenden anzubieten?« Ich gab mir Mühe, barsch zu klingen.
Sie nahm Arlyns Humpen und musterte meinen dunklen Umhang, mein hellbraunes Haar und die helle Haut.
»Vielleicht solltet Ihr Euch an einen dunklen Tisch setzen, junger Herr.«
Arlyn sah mich an.
»Ich bezweifle, dass ich mir das leisten kann.«
Das Mädchen – es konnte nicht viel älter sein als ich – lächelte kurz. Dann erklärte es geschäftsmäßig: »Zwei Pfennige fürs Feuer und fünf für den Most. Ein Humpen kostet zehn Pfennig.«
»Und das Essen?«
»Käse und Schwarzbrot zehn Pfennige. Käse und Bärenfleisch und Schwarzbrot zwanzig.«
»Käse und Schwarzbrot mit Most.«
»Zweiundzwanzig Pfennig.« Sie machte eine Pause. »Gleich.«
»Die Hälfte jetzt, die andere Hälfte, wenn ich das Essen und den Most bekomme. Für meinen Nachbarn auch einen.«
Sie schaute mich gelangweilt an. »Gut. Zwölf gleich – für Feuer und Most. Zehn, wenn Brot und Käse kommen.«
Ich holte zwölf Kupfermünzen aus dem Gürtel. Ich war froh, dass ich in Hrisbarg hatte wechseln können. »Du machst einen Reisenden bei diesem Wetter zum Bettler.«
»Ihr könnt ja draußen bleiben.« Sie steckte die Münzen durch einen Schlitz in eine verschlossene harte Lederbörse an einem kräftigen Ledergürtel und gab mir eine Holzmarke. Dann sammelte
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