Magische Insel
sie weitere Humpen ein und händigte Holzmarken aus.
Hinter mir öffnete sich die Tür. Ein eiskalter Windstoß kam herein und vertrieb die Wärme.
Zwei Soldaten standen auf der Schwelle. Sie trugen schwere kurze Reitjacken, Schwerter und Gewehre – diese wurden nur zur Friedenswahrung eingesetzt, nicht im Krieg, da bereits der kleinste Chaos-Zauber sie unwirksam machte.
Ein dünner Mann mit einer schmutzigen braunen Schürze schwenkte einen Knüppel und winkte den beiden. »Areillas, Storznoy!«
Der größere Soldat – vier Ellen groß, mit ebensoviel Fett wie Muskeln – stieß den Kameraden an, der kaum größer als das Schankmädchen war. Dann gingen die beiden zum Wirt am Kücheneingang. Die Unterhaltungen im Raum stockten.
Der Dicke sagte etwas zum Wirt, worauf dieser ein erstauntes Gesicht machte. Dann hob der Soldat die Stimme.
»… sagte … ein Dämon ist über die Einöde des Herzogs von Freistadt geritten«, wiederholte der Kleine.
Der Wirt zuckte mit den Schultern. »Ist ja auch richtiges Dämonenwetter.«
»Ungeziefer«, murmelte der Schreiner Arlyn.
»Warum?« fragte ich und machte mir Gedanken wegen des dämonischen Reiters.
»Der Rat von Montgren bezahlt sie, damit sie für die Sicherheit auf den Straßen zwischen der Grenze und Howlett sorgen … und die Zunft der Diebe gibt ihnen Geld, damit sie ein Auge zudrücken …« Arlyn hielt nach dem Mädchen Ausschau. »Wo bleibt der Most?«
Die Soldaten verschwanden in der Küche. Die Schankmaid kam mit einem großen Tablett voller Humpen, das sie geschickt trug, ohne einen Tropfen zu verschütten. Aus dem heißen Most stieg Dampf auf, als sie sich unserem Teil des Schankraums näherte, wo es wieder kalt war.
Sie vermied es, mir in die Augen zu schauen, als sie vor mich und Arlyn die Humpen abstellte.
»Sieh mal!« schrie ich Arlyn ins Ohr und zeigte auf den Magier in Weiß.
Der Schreiner zuckte zusammen. Ich tauschte schnell unsere Humpen aus.
»Wohin soll ich schauen? … Ist doch bloß Antonin.«
»Er hat auf uns gezeigt«, versuchte ich zu erklären.
»Schrei mich nicht an … Junge …«, brummte Arlyn.
»Es tut mir leid …« Tat es mir auch, aber nicht, weil ich ihn angeschrien hatte.
Arlyn blickte auf den Most, trank jedoch nicht sofort.
Ich nahm einen Schluck. »Ooooh …« Ich hatte mir die Zunge verbrannt. Jetzt wusste ich, warum Arlyn wartete.
Plötzlich trat in der ganzen Schenke Stille ein. Der Mann in Weiß war aufgestanden und blickte zu Justen hinüber, dem Grauen Magier – was auch immer ein Grauer Magier sein mochte.
»Eine Tat ist mehr als eine Tat …«, sagte Justen. Dann sprach er so leise weiter, dass ich ihn nicht verstehen konnte.
»Eine Tat ist eine Tat. Täuscht die äußere Erscheinung wirklich, Justen der Graue?« fragte Antonin.
Die Frau in der grünen Tunika beachtete Antonin nicht und wendete Justen das verschleierte Gesicht zu. Der Graue Magier schwieg und stand auch nicht auf.
»Taten sprechen lauter als Worte. Es gibt hier Menschen, die Hunger leiden. Wird Rechtschaffenheit ihnen etwas zu essen geben? Oder gibt der Wirt ihnen etwas zu essen, weil er ein so gutes Herz hat, und schmälert damit die Rationen seiner Familie und seiner Sippe?«
Ein Lächeln schien um Justens Mundwinkel zu zucken. »Das ist ein uraltes Argument, Antonin, kaum einer Antwort wert.«
»Ist es falsch, die Hungrigen zu speisen, Justen?«
Selbst die Hirten in der Ecke blickten wie gebannt auf Antonin.
»Ihr Hirten da hinten … hat einer von euch eine alte Ziege oder ein Schaf, das den Winter nicht überleben dürfte? Ich zahle … zwei Silberstücke für ein solches Tier. Gewiss ein anständiger Preis.«
Ich nickte unwillkürlich. Selbst zu Beginn des Winters war das ein anständiger Preis für ein Tier, das in den kommenden eisigen Achttagen leicht verenden konnte.
Der Magier in Grau schüttelte den Kopf, nahm einen Schluck aus seinem Humpen und betrachtete Antonin, der strahlend rief:
»Wirt, für die Benutzung deiner Theke auch einen Silberling.«
Der Wirt wischte sich die Hände an der fettigen Schürze ab und lächelte den Gästen zu – doch das Lächeln reichte nicht bis zu den Augen. »Es ist sehr großzügig, hochgeschätzter Magier, doch hoffe ich, dass Ihr für alle Schäden aufkommt, welche Eure hochherzige Gabe verursacht …«
»Es wird keine Schäden geben.« Antonin blickte zu den Hirten. »Wer will meine zwei Silberlinge haben?«
»Ich, Lord Magier.« Ein gebeugter Mann schlurfte herbei. Sein
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