Magische Momente der Lust
einen winzig kleinen Teil von ihm, der ihm ständig einflüsterte: Du schaffst es, ein ganzer Kerl zu sein wie dein Bruder.
Vielleicht war er tatsächlich in der Lage, aus einem Flugzeug zu springen? Einfach von diesem Sitz hier aufstehen, und los ging’s.
Wenn das bloß so einfach gewesen wäre!
Der Gedanke streifte ihn, dass eine Mutprobe genau das war, was er brauchte. Denn war nicht seine Angst, CeeCee zu verlieren, viel größer als seine Höhenangst?
Andererseits konnte es ja auch sein, dass eine Zwangsjacke und ein paar Psychopillen angemessener gewesen wären. Denn Tatsache war, dass er demnächst aus diesem Flieger geschubst werden würde. Hatte er den Verstand verloren?
Er schaute zu CeeCee. Sie erwiderte seinen Blick mit steinerner Miene. So war sie schon den ganzen Tag gewesen. Unzugänglich, hart. Er begriff nicht, was eigentlich schiefgelaufen war. Statt durch die Liebesnacht weich und nachgiebig zu werden, hatte CeeCee sich immer mehr zurückgezogen. Sein Plan hatte nicht funktioniert.
Das Flugzeug stieg immer noch. Jacks Magen rebellierte. Zum Glück hatte er nichts zu Mittag gegessen.
Verdammt, was war zu tun? Er konnte einfach nicht aus dem Flugzeug springen. Nicht einmal im Tandem mit seinem Trainer, einem hünenhaften Exmilitär, der unpassenderweise auf den Namen Tiny hörte. Der Mann saß völlig gelassen auf der Bank gegenüber, neben ihm Moose, der andere Trainer, äußerlich das genaue Gegenteil seines Kollegen.
Jack war nicht Zack. Zack liebte die Gefahr, Jack ging ihr aus dem Weg. Er hatte Höhenangst, seit Zack ihn als Kind vom Baum geschubst und er sich dabei das Schlüsselbein gebrochen hatte.
Keine Macht der Welt würde ihn dazu bringen, da hinaus in die blaue Leere zu springen, um nach zehn Meilen im freiem Fall mit etwas Glück an einem Fallschirm auf der Erde zu landen. Unsanft vermutlich.
Das Problem war nur CeeCee.
Er musste es tun. Für sie.
Wenn er sich abenteuerlustig und wagemutig gab, dann konnte er ihr beweisen, dass er ihre Liebe verdiente. Denn wenn er seine Ängste überwand, dann sah sie sicher ein, dass auch sie Furcht vor einer festen Bindung überwinden konnte.
In diesem Augenblick erkannte er, dass er keine andere Wahl hatte, als zu springen. Kein Zufall wie im Tattoo-Studio würde ihn davor bewahren.
Nervös klopfte er mit dem Absatz auf den Boden. Seine Muskeln ließen sich kaum noch kontrollieren.
“Aufgeregt?”, fragte CeeCee.
“Klar”, erwiderte er mit schwachem Grinsen.
CeeCee hatte Herzklopfen. Eigentlich war sie mindestens ebenso nervös wie Jack. Sie war überrascht, dass er überhaupt so lange durchgehalten hatte. Zack hatte ihr versichert, sein Bruder würde lange vor dem Start des Flugzeugs den Rückzug antreten. Was das Fallschirmspringen anbetraf, so war sie auch nicht ganz frei von Besorgnis. Doch solange Jack dieses lächerliche Spiel spielte, würde sie es auch tun.
Während des sechsstündigen Bodentrainings hatte sie jeden Moment auf Jacks Geständnis gewartet, dass er nicht Zack war. Offensichtlich jedoch war er bereit, das Spiel auszureizen. Wann endlich kam der Moment der Wahrheit? Zack hatte ihr gesagt, dass Jack an Höhenangst litt. Wieso also rückte er nicht endlich mit der Sprache raus? Er war stur wie ein Maultier.
Doch sie war ebenfalls stur. Und wütend. Wusste er überhaupt, wie sehr er ihr wehgetan hatte? Er war der einzige Mann auf der Welt, dem sie vollkommen vertraut hatte. Und genau dieser Mann belog und betrog sie seit drei Wochen. Bis er sie in seinem Bett hatte.
Oh, Jack, warum bloß? fragte sie sich.
Weil er genau wusste, dass sie nie mit ihm geschlafen hätte ohne diesen Betrug? War sie vielleicht auf verrückte Weise selbst mit schuld an dieser Verwicklung? Sie erinnerte sich daran, dass er am ersten Abend bei der Pool-Party nie eindeutig behauptet hatte, er sei Zack. Sie war einfach davon ausgegangen.
Oder gab es noch andere Gründe? Wollte sie unbedingt an Jacks doch eigentlich sehr durchsichtige Scharade glauben? Trotzdem war das alles keine Entschuldigung für sein Verhalten. Er hätte ihr sofort die Wahrheit sagen müssen.
“Elftausend Fuß”, verkündete der Pilot. “Wir befinden uns jetzt an der Absprungstelle.”
CeeCee legte eine Hand auf Jacks Knie. “Wir sind da, Zack”, sagte sie und legte Begeisterung in ihre Stimme.
“CeeCee, ich …”
Ihr Magen krampfte sich zusammen. Sie sah ihm tief in die dunklen Augen. Wollte er mit der Sprache herausrücken? “Ja?”, fragte
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