Magisches Feuer - Magisches Feuer - Burning Wild
Drake so selbstverständlich wie das Atmen, doch er konnte sich nicht mehr verwandeln. Eine Kugel hatte sein Bein zerfetzt und die Metallplatte, die es zusammenhielt, hinderte ihn daran, seine animalische Gestalt anzunehmen. Diesbezüglich musste bald etwas geschehen. Drake konnte nicht ewig ohne seinen Leoparden leben.
Tief im Innern des Leoparden, merkte Jake mit einem Mal auf. Ihm war ein wichtiger Gedanke gekommen. Drake konnte nicht ewig ohne seinen Leoparden leben. Drake war kein Leopard. Und kein Mensch. Er war beides. In einem. Der Mensch brauchte den Leoparden, und der Leopard brauchte den Menschen. Der eine konnte ohne den anderen nicht lange überleben. Der Leopard war in
Drake, konnte aber nicht heraus, konnte nicht frei laufen und atmen und den Spaß haben, den das Tier hatte, wenn es über offenes Gelände lief oder lässig von einem Ast zum anderen sprang. Was machte der Leopard? Was dachte und fühlte er? Diesen Zustand konnte er nicht ewig ertragen - und Drake auch nicht.
Was war dann aber mit seinem eigenen Leoparden? Was hatte er ihm gestattet? Was für ihn getan? Von diesem Teil seines Ichs hatte er sich stets abgeschottet, um sich zu schützen. Jake fürchtete, dass der Leopard ihn wie seine Eltern werden ließ und seinen animalischen Instinkten zum Durchbruch verhelfen würde. Doch Nacht für Nacht frei herumzulaufen, hatte seinen Zorn besänftigt und ihm erlaubt, dem Schmerz seiner alptraumhaften Kindheit zu entfliehen. Sein Leben lang, schon als Knirps, lange bevor der Leopard sich zum ersten Mal zeigte, hatte das Tier ihm die Kraft zum Überleben gegeben.
Drake war freundlicherweise Tausende von Meilen mit ihm gekommen und hatte freiwillig einen Teil seines Lebens aufgegeben - den Regenwald, den er so sehr liebte und brauchte -, nur um Jake an sein Erbe heranzuführen. Geld bedeutete ihm nicht viel. Es war nur ein Mittel zum Zweck, etwas, das ihm half, die Dinge zu tun, die er für wichtig hielt. Er war nur aus einem Grund in Texas, um Jake zu helfen. Und wie üblich hatte Jake auch dieser netten Geste misstraut. So wie er dem Leoparden misstraute - seiner anderen Hälfte. Das Tier hatte stets gewartet, bis es willkommen war, sich nur erhoben, wenn Jake seine Kraft brauchte, nur wenn etwas - oder jemand - seine Instinkte weckte oder wenn Jake verschwinden und laufen musste. Nicht ein einziges Mal hatte Jake den Leoparden
als Teil seiner Persönlichkeit akzeptiert, so wie es laut Drake zur Vervollkommnung nötig war.
Er hatte Angst davor. Diese Erkenntnis verblüffte ihn. Er hatte immer gedacht, nichts könne ihn mehr schrecken. Er hatte Dinge überstanden, die andere umgebracht hätten. Und er hatte überlebt, allein durch seinen Mut und seine Entschlossenheit, inmitten eines wilden Sturms, wenn er am ganzen Körper zitterte, schweißnass und schwer atmend vor Furcht, wo er sich doch ständig dessen bewusst gewesen war, was eigentlich in ihm steckte. Er wollte sich von niemandem beherrschen lassen, weder von den Kindern noch von seinem Leoparden und ganz sicher nicht von Emma. Sie alle mussten ihm gehorchen. Sich seiner Kontrolle unterwerfen. In der perfekten Welt, die er sich aufgebaut hatte, mussten sie seinen Regeln folgen.
Drake hatte die ganze Zeit davon geredet, er müsse die Zügel lockern. Das erschreckte ihn und ließ sein Herz schneller schlagen. Wenn er die Zügel schleifen ließ und der Leopard ihn verschlang, war er verloren. Wenn er seine Kinder liebte und ihnen etwas zustieß, würde es ihm das Herz brechen. Wenn er sich Emma öffnete und sie ihn abwies, würde er das nicht überleben.
Der Leopard legte den Kopf auf die Tatzen und weinte; während der Sturm langsam abflaute, mischten seine Tränen sich mit den Regentropfen. Jake hatte sich stets geweigert, sich als Opfer zu betrachten. Er hatte überlebt, weil er stark war, und weil er den Entschluss gefasst hatte, nicht zurückzuschlagen. Er hatte dem Leoparden nie gestattet, sich auf seine Feinde zu stürzen und sie zu zerfleischen, obwohl das Tier mehr als einmal wutschnaubend danach verlangt hatte. Seine Selbstbeherrschung war für ihn stets
der Beweis gewesen, dass er anders war. Das aufzugeben, jemandem zu vertrauen und etwas von sich preiszugeben, war für ihn wahrlich furchterregend.
Zum ersten Mal in seinem Leben dämmerte Jake, dass er vielleicht doch nicht stark genug war, das Trauma seiner Kindheit zu verarbeiten. Er hatte sich selbst nie eingestanden, dass er missbraucht worden war. Sein Leben war eben so
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