Magnolia Haven 03 - Abendrot
bin oben in meinem Büro, bring mir die Sachen hoch, sobald du alles zusammen hast.«
Sie nickte und betrachtete dann besorgt sein angespanntes Gesicht. »Jake, was ist passiert? Stimmt etwas nicht?«
»Noch nicht«, erwiderte er düster, »aber wenn wir nicht schnellstens etwas tun, steht uns eine Klage ins Haus, die unseren Ruin bedeutet.«
Ein paar Stunden später betrat Joanna das Büro der Geschäftsführung, und nachdem sie der Sekretärin ihren Namen genannt hatte, wurde sie direkt zu Jake vorgelassen.
Er saß an seinem Schreibtisch, einen Berg von Papieren vor sich, blätterte mit verbissener Miene darin herum und machte sich nebenbei Notizen auf einem Block.
»Hier sind die Belege, die du haben wolltest«, sagte sie und stellte einen großen Karton mit mehreren dicken Aktenordnern neben den Tisch. »Kann ich dir helfen?«, bot sie dann an, und Jake nickte.
Wenig später saßen sie auf dem Boden, wühlten sich gemeinsam durch die unzähligen Unterlagen, und es war beinahe zweiundzwanzig Uhr, als Jake schließlich genug Informationen beisammen hatte.
»Tom«, stieß er zornig aus, »dieser verdammte Dreckskerl. Er hat aus minderwertiger Baumwolle Garn anfertigen lassen und es als Qualitätsgarn an Cranfield Industries verkauft. Offiziell hat er die Wolle angeblich zu einem Dumpingpreis an einen unbekannten Zwischenhändler abgegeben, und den Überschuss in die eigene Tasche gesteckt.«
»Wie kann das sein? Du hast doch nach deiner Rückkehr alles kontrolliert, ist dir nichts aufgefallen?«
Jake schüttelte frustriert den Kopf. »Nein. Zum einen hat er die Unterlagen sehr geschickt manipuliert, und zum anderen habe ich natürlich nicht jeden Beleg einzeln überprüft. Ich war mehr darauf konzentriert, die Verluste hereinzuholen, die er verursacht hat, ich konnte ja nicht ahnen, dass er zu solchen Mitteln greifen würde.«
»Und jetzt?«
»Keine Ahnung«, müde rieb er sich den Nacken, »wir müssen versuchen, den Schaden irgendwie zu begrenzen. Abgesehen davon, dass Cranfield die Rechnung für das Garn noch nicht beglichen hat, droht er mit einer Schadensersatzklage in Millionenhöhe. Wenn er das wahr macht, verlieren wir alles, sowohl die Firma als auch Magnolia Haven. Ich muss mit Vater sprechen. Cranfield und er kennen sich gut, eventuell kann er mit ihm verhandeln.«
Mitfühlend legte sie ihm die Hände auf die Schultern und massierte sanft seine verspannten Muskeln.
»Mach dir keine Vorwürfe, es ist nicht deine Schuld«, sagte sie leise. »Du hast alles getan, was du konntest, und vielleicht findet sich ja eine Lösung.«
Er griff nach ihrer Hand und küsste sie. »Hoffentlich. Ich möchte gar nicht daran denken, was sonst passieren wird.«
Müde und erschöpft betrat Joanna gegen Mitternacht ihre Wohnung. Jake war nach Magnolia Haven gefahren, um mit seinem Vater zu sprechen, und sie hatte nur noch den Wunsch, in ihr Bett zu fallen, und diesen furchtbaren Tag zu vergessen.
Doch als sie sich nach der Post bückte, die hinter der Wohnungstür auf dem Boden lag, erwartete sie bereits der nächste Tiefschlag. Zwischen ein paar Rechnungen und Reklame fand sie einen Briefumschlag ohne Anschrift und ohne Absender.
Verwundert drehte sie ihn in den Fingern hin und her, dann riss sie ihn auf.
Er enthielt ein Foto und ein kleines Stück Papier. Sie faltete den Zettel auseinander, nur vier Worte standen darauf: »
Er liebt nicht DICH
«. Das Ganze war in krakeligen Druckbuchstaben geschrieben, zweifellos hatte jemand die falsche Hand benutzt, um die Handschrift zu verstellen.
Ein weiterer Blick auf das Bild genügte, um Übelkeit in ihr aufsteigen zu lassen.
Die Aufnahme zeigte einen etwa achtzehnjährigen Jake, der fröhlich in die Kamera grinste. Er hatte seinen Arm um eine junge Frau gelegt, die den Kopf in seine Richtung geneigt hatte und ihn verliebt anlächelte. Die beiden wirkten sehr vertraut, und Joanna stellte entsetzt fest, dass dieses Mädchen ihre Zwillingsschwester hätte sein können. Das kastanienfarbene Haar, das ovale, zarte Gesicht, die schmale Nase, der volle Mund – sie war das komplette Ebenbild von ihr. Die Augenfarbe war nicht zu erkennen, ihre Figur etwas dünner, der Busen ein wenig kleiner, aber sonst glich sie ihr wie ein Ei dem anderen.
Joanna ließ das Foto fallen, als hätte sie sich die Finger verbrannt. Dann bückte sie sich, hob es auf und starrte erneut darauf.
Wer war diese Frau? Hatte Jake sie geliebt? Und, was noch viel wichtiger war, liebte er sie,
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