Magnolia Steel - Hexenflüstern (German Edition)
mit Katie vorliebnehmen.
Es war ein tolles Gefühl, auf einem Motorrad durch die Landschaft zu brettern. Zuerst fuhren sie an der Küste entlang bis nach Massachusetts, aber schon bald bogen sie ins Landesinnere ab.
Ihr erstes Ziel war ein Naturpark mit beeindruckenden Wasserfällen. Von Natur pur konnte zwar nicht die Rede sein, denn es wimmelte nur so von Touristen, dafür verputzte Magnolia den größten und leckersten Hamburger, den sie jemals gegessen hatte. Satt und zufrieden fuhren sie danach weiter – durch wilde Kiefernwälder, vorbei an kristallklaren Seen, immer bergan. Für Magnolia hätte es noch ewig so weitergehen können. Doch irgendwann bog ihr Vater auf einen Parkplatz ab und hielt vor einem großen, alten Wohnmobil, das abseits auf einem sonnigen Fleckchen ganz dicht am Wald stand.
»Voilà! Wir sind da. Willkommen in unserem Zuhause.« Sie stiegen von den Motorrädern und nahmen ihre Helme ab. »Mögt ihr eine kalte Cola?«, fragte Katie und in Windeseile standen vier Gläser auf dem Campingtisch, der unter dem Vordach des Wohnmobils aufgestellt war. Magnolia beobachtete die Freundin ihres Vaters verstohlen. Katie war hübsch und hatte lustige dunkle Augen. Aber das Angenehmste an ihr war, dass sie sich Magnolia nicht aufdrängte. Sie hielt sich einfach im Hintergrund und ließ keinen Zweifel daran, dass sie ausschließlich als Fahrer mitgekommen war, was den Umgang mit ihr für Magnolia wesentlich leichter machte.
»Mama hat erzählt, dass du malst«, fing Magnolia das Gespräch mit ihrem Vater an.
»Stimmt, möchtest du ein paar Bilder sehen?« Ihr Vater verschwand im Wohnmobil und kehrte kurz darauf mit fünf Bildern zurück. Stolzstellte er sie vor Magnolia auf. Sie zeigten völlig unterschiedliche Motive: eine Brücke, drei Wildpferde, eine Tänzerin. Magnolia hatten es besonders die blauen Pferde angetan: Sie strotzten nur so vor Kraft und wirkten unbändig und wild.
»Wie nennt man diesen Stil?«, fragte sie. Ihr Vater zuckte lachend mit den Schultern.
»Wenn du es einem bestimmten Malstil zuordnen willst, nenn es Expressionismus.«
»Die Pferde sind wunderschön!«, sagte sie.
»Wirklich? Ich schenke sie dir! Dann hast du immer etwas, was dich an mich erinnert.«
Magnolia strahlte. »Danke«, sagte sie. »Ich glaube allerdings nicht, dass das Bild so ohne weiteres in meinen Koffer passt. Vielleicht könntest du es mir nachschicken? Meine neue Adresse hast du ja.«
»Natürlich!«, sagte ihr Vater. »Und nächstes Jahr komme ich dich besuchen und sehe nach, ob du für das Bild auch einen guten Platz gefunden hast.«
Magnolia senkte den Blick, dann sah sie ihren Vater ganz direkt an. »Versprich nur, was du auch halten kannst«, sagte sie.
Jetzt sah ihr Vater verlegen aus. »Du hast völlig recht, wenn du mir nicht traust. Bisher habe ich mich als Vater ja auch noch nicht besonders hervorgetan.«
»Gibt es hier auch ein Klo?« Das war Jörna. Sie interessierten mehr die praktischen Dinge.
»Na klar haben wir auch ein Klo, wir haben sogar eine Dusche an Bord«, erklärte ihr Katie und zeigte Jörna das Innere des Wagens.
Magnolias Vater schlug sich auf die Knie. »Okay, genug geredet! Ich schlage vor, wir brechen gleich wieder auf. Ich möchte euch nämlich einen ganz besonderen Ort zeigen. Da müssen wir rauf«, erklärte er und zeigte auf die zerklüfteten Felsen, die hinter den Baumwipfeln aufragten. Zehn Minuten später waren sie auf dem Weg. Der Wald, indem sie bergan stiegen, unterschied sich kaum von den Wäldern, die Magnolia und Jörna von zuhause her kannten. Er war nur viel dichter. Herabgefallenes Holz oder umgestürzte Bäume wurden nicht herausgeholt, sondern blieben liegen und gaben der Umgebung etwas Verwunschenes. Seitdem sie den Parkplatz verlassen hatten, waren sie keinem Menschen mehr begegnet. Aus den Augenwinkeln sah Magnolia einen Brownie durch das Unterholz huschen, doch sonst war weit und breit kein Lebewesen zu sehen.
»Hast du den Brownie gesehen?«, fragte Jörna leise.
Magnolia nickte. »Er sieht aus wie ein kleiner Heinzelmann.«
»Stimmt, nur dass er hundert Mal stärker ist. Man muss höllisch aufpassen, um nicht versehentlich auf einen zu treten. Ist nicht gut für die Gesundheit. Die eigene, meine ich.«
»Gleich haben wir es geschafft!«, rief Magnolias Vater. Keine fünfzig Schritte weiter traten sie ganz unvermittelt aus dem Wald hinaus auf ein Felsplateau.
Der Wind fuhr ihnen durch die Haare und vor ihnen lag nichts als Weite. Der
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