Magnolia Steel - Hexenflüstern (German Edition)
war.
Magnolias Magen knurrte inzwischen so laut wie ein sibirischer Tiger. Trotzdem warf sie erst verstohlene Blicke nach draußen, bevor sie sich hinaustraute. Auf ihrem Weg durch das Camp legte sie dann ein Tempo vor, mit dem Jörna kaum Schritt halten konnte.
»Ich dachte, wir gehen abendessen, aber wir sind auf der Flucht, stimmt’s?«, schnaufte ihre Freundin.
Magnolia verlangsamte ihre Schritte. »Tut mir leid«, sagte sie zerknirscht. »Wie du dir vielleicht denken kannst, gibt es da jemanden, dem ich unter keinen Umständen begegnen möchte.«
Jörna sah sie mitleidig an. »Entspann dich. Der sitzt sicher gerade mit den anderen beim Essen. Mit seinen Freunden, meine ich ….«
Magnolia stöhnte gequält auf.
Linette und Runa hatten bereits am Tisch Platz genommen, als die beiden Mädchen dazukamen.
»Guten Abend, ihr zwei«, begrüßte Linette sie freundlich. »Habt ihr euch gut von dem Ball erholt?«
»Haben wir, danke!«, antwortete Magnolia.
»Ich muss sagen, mir steckt die wilde Hüpferei noch in den Knochen.« Linette gab sich bewusst munter. Die Mädchen sollten nicht ahnen, wie nervös sie bereits wegen der Brillenübergabe war, die heute Nacht stattfinden sollte.
»Du musstest es ja auch wieder übertreiben«, bemerkte Runa genauso aufgekratzt.
»Kein Wunder, bei einem so flotten Tänzer.«
»Stimmt! Sir Archibald konnte seine Finger kaum bei sich behalten. Wo ist er überhaupt?«
»Er hat sich tadellos benommen, meine Liebe. Anders als der Faun, mit dem du getanzt hast.«
Runa verzog angewidert das Gesicht. »Du hast recht, er war ein grässlicher Bursche.«
»Trotzdem hättest du ihn nicht mit einer Windhose aufs Meer pusten dürfen!«, tadelte Linette.
»Ach, wirklich? Du hast ja keine Ahnung, was er mir vorgeschlagen hat.«
Die beiden Hexen kicherten und hofften, dass die Mädchen ihnen ihr sorgloses Geplapper abnahmen.
»Und wie sieht es bei euch aus, Mädchen? Hat einer angebissen?«, fragte Runa.
Wie peinlich war das denn? Magnolia und Jörna taten, als hätten sie die Frage nicht gehört. Glücklicherweise wurde in diesem Moment das Essen aufgetragen.
Trotz ihres Kummers hatte Magnolia einen Riesenappetit. Schließlich war es schon einen ganzen Tag her, seitdem sie zuletzt etwas zu essen bekommen hatte.
Irgendwann fragte ihre Tante ganz beiläufig: »Hast du eigentlich die Telefonnummer deiner Mutter?«
Magnolia sah sie erstaunt an. »Natürlich habe ich die. Aber ich habe nicht vor, sie anzurufen.«
»Ich frage nur für alle Fälle. Man weiß schließlich nie, was einem noch alles passiert«, erklärte ihre Tante schnell.
Nach dem Abendessen verabschiedete sich Linette besonders herzlich von ihrer Nichte. Und wäre Magnolia nicht so sehr mit sich selber beschäftigt gewesen, wäre ihr das sicher aufgefallen. So aber wünschte sie ihrer Tante und Runa einfach eine gute Nacht und lief mit Jörna zurück ins Camp. Vielleicht, wenn Leander ihr zufällig über den Weg lief …
»Ich wünschte, aufdringliche Faune und verliebte Elfen wären unsere einzige Sorge«, seufzte Runa, nachdem sie wieder auf ihrem Zimmer waren. Bei den Hexen stieg langsam die Anspannung. Es lastete eine ungeheure Verantwortung auf ihnen, immerhin war die magische Brille eins der wertvollsten Artefakte, das die Hexenwelt kannte. Deshalb hatten sie die Übergabe und ihre anschließende Flucht bis ins kleinste Detail geplant. Sobald sie die Brille in ihrem Besitz hatten, würden sie noch einmal in das Camp zurückkehren, um die Mädchen zu holen. Dann sollte es mit dem allerersten Flug nach Deutschland zurückgehen.
»Es wird deiner Nichte nicht gefallen, wenn wir sie heute Nacht aus dem Zelt holen, um Hals über Kopf zu fliehen«, bemerkte Runa.
»Auf Magnolias Wünsche können wir leider keine Rücksicht nehmen«, erwiderte Linette.
»Natürlich nicht! Ich freue mich nur jetzt schon darauf, mit zwei mürrischen Teenagern über den Atlantik zu fliehen, während wir von wild gewordenen Gorgonen verfolgt werden!«
»Mach dich nicht verrückt!«, brummte Linette. »Das Wichtigste ist der Beryll. Wie spät ist es übrigens?«
Runa zog eine goldene Uhr aus ihrer Rocktasche. »Eine gute Stunde nach Mitternacht. Wir sollten uns auf den Weg machen.«
Schweigend kleideten die beiden Hexen sich an. Wie Ritter in ihre Rüstungen hüllten sie sich in ihre Hexenmäntel, setzten ihre spitzen Hüte auf und verstauten die Zauberstäbe in ihren Ärmeln. Dann machten sich auf den Weg nach Salem.
Auf der Karte,
Weitere Kostenlose Bücher