Magnolia Steel – Hexennebel
Jörna.
Auf Angelos Gesicht zeigten sich betrübte Falten. »So schnell bin ich euch wieder los?« Dann zwinkerte er ihnen zu. »Ich wette, ihr wollt euch auch um einen Stehplatz in dem neuen Geschäft prügeln, oder?«
Zuerst sah Magnolia Angelo verständnislos an. Dann fiel ihr Meister Schnucks Laden ein. Natürlich wollte sie sich den angucken.
Angelo grinste. »Ich war zwar noch nicht dort, aber von seinen Parfüms spricht inzwischen die ganze Stadt.« Er machte sich an der Saftmaschine zu schaffen und stellte schwungvoll zwei Becher auf den Tresen. »Voilà!«
Jörna bezahlte, und die Mädchen marschierten zufrieden schlürfend davon. Bereits von Weitem sahen sie bunte gasgefüllte Luftballons dieHauswand erklimmen und eine riesige Menschentraube, die direkt vor dem Eingang zu Meister Schnucks Laden stand.
»Ich habe gar nicht gewusst, dass Rauschwald so viele Einwohner hat«, stellte Magnolia missmutig fest, und Jörna kicherte. Die Mädchen reckten die Hälse. Ohne Nahkampfausbildung war es unmöglich, in den Laden zu kommen.
»Oh, männo!«, quengelte Magnolia. »Ich will endlich wissen, was das für ein Geschäft ist.«
»Trink deinen Erbeerflip aus, dann stürzen wir uns in den Kampf«, sagte Jörna. »Schade, dass wir nicht ein paar Knatterblitze vorausschicken können.«
Magnolia nickte. Sie wollte gerade die Ellenbogen ausfahren und sich in Jörnas Fahrwasser durch die Menschenmenge schieben, da tippte ihr jemand von hinten auf die Schulter.
Birte und Merle hatten bereits kleine Tüten aus dem Laden in der Hand und sahen sehr zufrieden aus. »He, was machst du denn hier? Hast du heute keine Nachhilfe?«
Die Mädchen glaubten, Magnolia würde Nachhilfestunden nehmen, wenn sie bei Runa zum Hexunterricht war. Und irgendwie stimmte das ja auch.
»Oh, hallo!« Magnolia freute sich, ihre Freundinnen aus der Schule zu treffen. »Nö, keine Nachhilfe. Jörna und ich wollen uns den neuen Laden ansehen. Wart ihr schon drin?«
Birte nickte. »Waren wir. Ich habe gestern sogar eine exklusive Führung bekommen.«
»Wow, wie hast du das denn hinbekommen?«
Jetzt wurde Birte rot. Das passierte immer, wenn sie gelobt oder bewundert wurde. »Mein Vater und Meister Schnuck kennen sich von früher. Sie sind zusammen zur Schule gegangen. Dann hat mein Vater Pharmazie studiert und der Professor irgendwas anderes. Er war mal Museumsdirektor und hat irgendwann keine Lust mehr gehabt, zwischen toten Königen und präparierten Höhlenbären herumzulaufen. Deshalb hat er beschlossen, sich seinen Jugendtraum zu erfüllen und diesen Laden aufgemacht. Er stellt all seine Parfüms selbst her. Es ist der Wahnsinn. Du musst sie unbedingt riechen.«
»Ist der Laden eine Parfümerie?«, fragte Magnolia enttäuscht, aber Merle schüttelte den Kopf. »Nein, er verkauft auch anderes seltsames Zeug, das er auf seinen Reisen zusammengetragen hat.«
»Klingt spannend, das muss ich mir unbedingt ansehen.« Magnolia sah sich suchend nach Jörna um. »Ich glaube, meine Freundin ist schon drin«, sagte sie.
»Dann drücke ich die Daumen, dass ihr lebend wieder rauskommt«, lachte Merle.
Magnolia winkte ihren Mitschülerinnen zu. »Wenn ich morgen nicht in der Schule bin, habe ich es nicht geschafft!«, witzelte sie und drängelte sich energisch zwischen zwei dicken Frauen vorbei in den Laden.
Das Erste, was ihr drinnen auffiel, war der Geruch. Es duftete nach Lebkuchen, verbranntem Zucker und irgendwie geheimnisvoll. Eine tolle Mischung. Die Einrichtung des Geschäfts war jedoch enttäuschend normal. Es gab einen Verkaufstresen mit Kasse, Kleiderständer und gläserne Schaukästen. Vielleicht war die Beleuchtung nicht ganz so hell wie anderswo. Die Artikel, die Meister Schnuck zum Verkauf anbot, unterschieden sich dann allerdings doch deutlich vom Sortiment anderer Geschäfte. An den Kleiderständern hingen seltsame barocke Kostüme und Kimonos. Und in den Schaukästen lagen alte Gürtelschnallen, Ringe und Wurfsterne. Ganz hinten stand ein dunkles Holzregal, in dem Meister Schnuck seine selbst kreierten Parfüms ausstellte.
»Betörung der Sinne«, stand auf einem Schild in schnörkeliger Schrift. Und hier fand Magnolia auch Jörna wieder. Eifrig drehte sie sich zu ihrer Freundin um. »Da bist du ja endlich! Guck dir bloß diese winzigen Flakons an!«, schwärmte sie. »Sind die nicht süß?«
Jörna hatte recht. Die bronzenen Flakons waren wie Vögel geformt und echte Kunstwerke. Es gab stolze Adler, winzige Rotkehlchen und
Weitere Kostenlose Bücher