Magnolia Steel - Städing, S: Magnolia Steel
spürte jeden einzelnen Knochen in ihrem Körper, trotzdem sprang sie sofort auf die Beine. Jörna folgte ihrem Beispiel. Ängstlich sahen sie sich um.
»Sieh mal da!« Zitternd deutete Jörna auf eine Reihe lebensgroßer Figuren. Magnolia schluckte. Dort wo in anderen Burgen glänzende Ritterrüstungen standen, waren hier Skulpturen aus dem Andenkenladen von Anatol Tott versammelt. Da waren der Gruftknecht mit dem Messer, die Zombies und ein Stück weiter wartete die unselige Margareth.
»Glaubst du, wir sind auf dem Teufelsberg?«, wisperte Jörna mit dünner Stimme.
»Es sieht jedenfalls danach aus«, flüsterte Magnolia zurück.
»Ich habe Schiss und mein Zauber …«
Die Norgen kamen zurück und machten den Schattenkriegern ein Zeichen, ihnen zu folgen. Magnolia wusste, was Jörna hatte sagen wollen, denn sie spürte selber die unangenehme Wärme, mit der sich ihr Zauberstab in ihrem Ärmel bemerkbar machte.
Ein Stoß in den Rücken forderte sie auf, sich in Bewegung zu setzen, und mit klopfenden Herzen gingen sie einem ungewissen Schicksal entgegen.
Dreißigstes Kapitel
Gefangene des Grafen
Der Graf saß im Speisesaal an einer langen Tafel beim Abendessen. Ein Trollkopf, der mit einem Apfel garniert worden war, diente dabei als Dekoration. Dem Grafen gegenüber saß ein schwarz gekleideter Mann mit zurückgekämmten Haaren. Anatol Tott.
Der Andenkenhändler war häufig zu Gast auf der Burg und er war sehr zufrieden mit der Situation. Seit er mit dem Grafen Geschäfte machte, ging es finanziell bergauf. Wer konnte heutzutage schon von einem Laden wie seinem leben?
Anatol Tott war gewissermaßen der Hoflieferant des Grafen. Er lieferte die lebensgroßen Figuren, die die Eingangshalle der Burg schmückten, und er lieferte Informationen zu allen Dingen, die den Grafen aus der Welt der Menschen interessierten. Heute Abend zum Beispiel hatte er ihn köstlich unterhalten, indem er ihm einen Artikel aus der Umschau vorgelesen hatte, in dem über das mysteriöse Verschwinden der Rauschwalder berichtet wurde. Weit wichtiger für ihre geschäftlichen Beziehungen war jedoch Anatol Totts Laden. Er war das – magische – Tor von der Burg nach Rauschwald. Durch sein Geschäft hatte schon so mancher Mensch und so manch magisches Geschöpf den Weg auf die Burg gefunden. Nicht ganz freiwillig, versteht sich. Der Laden ermöglichte es den Norgen, wie aus dem Nichts in der Stadt aufzutauchen und genau so schnell wieder zu verschwinden. Wie sehr der Graf Anatols Dienste schätzte, zeigten die Abendessen, zu denen er hin und wieder eingeladen wurde.
Heute wurde das Essen von den Schattenkriegern unterbrochen, die zwei Mädchen in den Saal stießen und sie vor dem Grafen auf die Knie zwangen. Anatol Tott wusste, wann es Zeit war zu gehen. Er tupfte sich mit der gestärkten weißen Serviette über den Mund, verneigte sich vor dem Grafen und verließ eilig den Saal. Es gab Dinge, bei denen man besser kein Zeuge war.
»Meine Leibwächter haben es also geschafft, die kleine Hexe zu fangen«, stellte der Graf mit weicher schleppender Stimme fest. »Ihr könnt gehen.« Die Krieger verneigten sich bis auf den Boden und verließen rückwärts in gebückter Haltung den Saal.
In aller Ruhe setzte der Graf seine Mahlzeit fort. Gelangweilt rührte er in seinem Teller Suppe und Magnolia zuckte jedes Mal zusammen, wenn er den Löffel laut schlürfend zum Mund führte.
Glücklicherweise war Jörna ganz nah und so konnten sie sich immer wieder aufmunternd anstoßen.
Schließlich hatte Graf Raptus seine Mahlzeit beendet. Träge lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und sah die Mädchen aus zusammengekniffenen Augen an.
»Zwei kleine Hexen«, sagte er schließlich. »Du hast mir also noch eine Freundin mitgebracht, Magnolia Steel. Wie aufmerksam von dir.«
»Was wollen Sie von uns?«, fragte Magnolia so kühl wie möglich und streckte angriffslustig das Kinn vor. Der Graf brauchte nicht zu wissen, wie ängstlich ihr ums Herz war.
»Tststs, genauso überheblich wie deine Großmutter. Du solltest doch wissen, wohin so etwas führt.« Die Augen des Grafen glitzerten gefährlich. »Du fragst mich also, was ich von euch will?«, murmelte er und man musste die Ohren spitzen, um ihn zu verstehen.
»Ich will nicht viel, denn ich will nichts weiter … als euer Leben.« Er machte eine genüssliche Pause, um sich an ihren erschreckten Gesichtern zu weiden, dann fuhr er mit weicher Stimme fort: »Verstehtmich bitte richtig, ich will nicht
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