Magnolia Steel - Städing, S: Magnolia Steel
euren Tod. Ich will euer Leben.« Er gluckerte leise, so als hätte jemand einen netten kleinen Scherz gemacht.
Magnolia und Jörna sahen sich an. Ein Wahnsinniger.
»Wie meinen Sie das?«, fragte Magnolia mit erstickter Stimme.
Für einen Moment sah der Graf sie nachdenklich an. »Du hast recht«, sagte er dann. »Für euch werde ich den Vorhang meiner Genialität ein klitzekleines Stückchen lüften. Es macht die ganze Sache noch ein wenig amüsanter. Folgt mir!«
Und als läge auf diesem »Folgt mir!« ein Zauber, wurden Magnolia und Jörna auf die Füße gestellt und liefen, ohne es zu wollen, hinter dem Grafen her. Treppauf, treppab folgten sie ihm wie dumme Gänse durch die zugigen Flure, bis sie schließlich an eine Wendeltreppe kamen, die in einen der vier Türme führte.
Der Ostturm beherbergte das Laboratorium des Grafen. Es war angefüllt mit einem nicht überschaubaren Sammelsurium an rußigen Instrumenten, Manuskripten und mystischen Gegenständen und es stank scheußlich nach irgendwelchen Chemikalien.
»Meister«, eine zischende Stimme ließ sie zusammenfahren. Aus einer dunklen Nische trat ein kleiner, hässlicher Gnom, auf dessen viel zu großem Kopf eine bunte Narrenkappe saß, deren Glöckchen bei jeder Bewegung leise klingelten. Sein plumper Körper wurde von bestrumpften Beinchen getragen, die nicht dicker waren als Magnolias Unterarme.
»Ihr bringt Sterbliche in Euer Heiligstes?« Angewidert blickte er auf die Mädchen.
»Kümmere dich um deine Aufgaben, Goldemar!« Die Stimme des Grafen schnitt wie ein Peitschenknall durch die Luft und der Narr duckte sich unter ihrem Klang.
»Goldemar hat recht«, sagte der Graf an die Mädchen gewandt. »Ihr seid die Ersten, denen ich einen flüchtigen Blick auf den Traumder Menschheit gestatte. Hoffentlich seid ihr intelligent genug, um zu begreifen.« Zweifelnd sah er die beiden an.
»Du!!«, donnerte er so plötzlich, dass Magnolia leise aufschrie. »Du wolltest wissen, was es bedeutete, als ich sagte, ich wolle euer Leben und nicht euren Tod. Also schau hin und sage mir, was du siehst.« Er deutete auf ein Regal voller Gläser.
»Na?« Der Graf wurde ungeduldig. »Antworte endlich!!«
Magnolia und Jörna glotzten verständnislos auf das Regal.
Das konnte er wohl kaum meinen. Ein Kellerregal voller Einmachgläser. Sprach er nicht vom Traum der Menschheit?
»Hat es dir und deiner Freundin die Sprache verschlagen oder seid ihr beide bloß verstockt? Vielleicht soll ich eure Zungen mit Gewalt lösen!« Der Blick des Grafen wurde drohend und es schien ratsam ihn nicht weiter zu reizen.
»M … m … marmeladengläser mit blauer Tinte«, stammelte Jörna.
Da platzte dem Grafen der Kragen! »M … m … marmeladengläser mit blauer Tinte«, äffte er Jörna nach. »Dann seht genau hin, ihr unterbelichteten Blindschleichen!« Wütend packte er die Mädchen im Nacken und zerrte sie vor das Regal.
Zuerst fielen Magnolia die weißen Zettel auf, die auf jedem Glas klebten. Hubert Raubein, 1944, stand zum Beispiel auf einem. Magnolia hob den Blick und prallte zurück. Erst jetzt bemerkte sie, dass die Gläser außer der blauen Flüssigkeit noch etwas anderes enthielten. Etwas Faustgroßes, Zuckendes. Sie weigerte sich, den Gedanken zu Ende zu denken.
Jörna dachte zu Ende. Mit vor Entsetzen schriller Stimme brachte sie es auf den Punkt. »In diesen Gläsern schwimmen schlagende Herzen!«, kreischte sie und klammerte sich an Magnolia.
»Die Herzen der Menschen, die er umgebracht hat«, keuchte Magnolia. »Und er hat sogar ihre Namen darunter geschrieben.« Bleich überflogen sie die sauberen Etiketten.
»Georg Pächter, 1923, Sieglinde Brass, 1974, Samantha de Champs, 2012.« Magnolia gab ein würgendes Geräusch von sich.
»Er ist ein Monster«, flüsterte Jörna.
Der Graf genoss die Szene in vollen Zügen.
»Hohoho, er ist ein Monster! Unbezahlbar. Ich sollte diesen Spaß regelmäßig wiederholen.« Dann wurde er schlagartig ernst.
»Dumm wie Bohnenstroh«, giftete er. »Ihr habt wirklich überhaupt nichts verstanden. Ich bin der mächtigste Magier der Welt! Diese Menschen sind nicht tot. Begreift ihr das nicht? Sie haben das ewige Leben! Und wisst ihr, was das Beste daran ist?«
Magnolia und Jörna pressten die Lippen aufeinander und schwiegen beharrlich.
»Sie leben ganz allein für mich!!!« Irres Gelächter schüttelte den Grafen.
Außer blankem Entsetzen spürte Magnolia noch etwas anderes. Es machte sich erneut auf unangenehme Weise
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