Magnus Jonson 01 - Fluch
Ehepaare manchmal tun, wenn sie früh ins Bett gehen.«
»Oh.«
»Und jetzt haben wir einen neuen Verdächtigen.« Baldur nickte zu der Tür hinüber, hinter der gerade die Marathonvernehmung von Tómas Hákonarson begann.
Magnus schaute hinein. Ein Mann mit runder Brille, schütterem Haar und Hamsterbäckchen saß dort und rauchte eine Zigarette, aufmerksam beobachtet von Vigdís. Der berühmte Fernsehstar.
»Und? Hat er gestanden?«
»Gib mir Zeit«, sagte Baldur. »Seine Fingerabdrücke stimmenmit den unidentifizierten Spuren überein, die wir im Haus gefunden haben. Wir lassen gerade seine Klamotten und Stiefel untersuchen. Im Moment behauptet er noch, er wäre gekommen und wieder gegangen, bevor Steve Jubb eintraf. Jubb war so gegen halb acht da, und die Nachbarn waren den ganzen Nachmittag unterwegs, es ist also möglich, dass er kam und ging, ohne gesehen zu werden. Aber wenn du dachtest, Jubb würde lügen, dann musst du dir mal diesen Typen anhören! Seine Geschichte ist so löchrig wie ein Sieb! Den knacken wir.«
»Und was ich dir über Lawrence Feldman und Steve Jubb erzählt habe, dass sie Agnar einen Ring abkaufen wollten, das ändert nichts an der Sache?«
»Nein«, sagte Baldur bestimmt. »So, ich muss jetzt arbeiten.«
Völlig frustriert kehrte Magnus an seinen Schreibtisch zurück. Was ihn am meisten wurmte, war die Möglichkeit, dass Baldur tatsächlich recht und er selbst unrecht hatte. Baldur war ein guter Kriminalist, der auf sein Gefühl vertraute, aber das war Magnus auch. Weshalb es auch so ärgerlich wäre, wenn Baldurs Ahnung sich als richtig erwies und seine nicht.
Magnus wusste, dass er eigentlich tief durchatmen und nach allen Seiten hin offen bleiben sollte, damit die Ermittlung sich nach den Beweismitteln richtete und nicht umgekehrt. Aber das Problem war, dass alles umso undurchsichtiger wurde, je länger er sich mit der Saga und dem Ring beschäftigte. Und ebenso wuchs das Risiko für die Beteiligten.
Es lief darauf hinaus, dass Tómas Hákonarson Gelegenheit gehabt hatte, aber bisher noch kein Motiv. Isildur und Gimli, wie sie sich gern nannten, hatten Motive noch und nöcher.
Magnus setzte sich an seinen Platz. Der Stuhl gegenüber war leer – Árni war noch oben in der Luft. Magnus rief ihn auf dem Handy an und hinterließ eine Nachricht auf der Mailbox – Isildur befände sich in Reykjavík, Árni könne ruhig nach Hause kommen.
Der Arme.
Magnus fuhr seinen Computer hoch und schaute nach E-Mails.Eine war von Deputy Superintendent Williams, sie war sogar lang für dessen Verhältnisse.
Williams entschuldigte sich für den mangelhaften Schutz von Colby. Er behauptete, die ganze Nacht hätte eine Streife vor dem Haus gestanden, aber niemand hätte etwas gesehen. Von Colby selbst sei keine Spur zu finden, sie hätte ihrem Chef und ihren Eltern nur mitgeteilt, dass sie für eine Weile fort sei.
Im Präsidium des Morddezernats an der Schroeder Plaza würden Fragen gestellt, Fragen über Magnus, getarnt als Tratsch. Dahinter steckten Freunde von Lenahan, Freunde von Freunden Sotos. Es bestehe kein Zweifel, dass Sotos Bande auf der Suche nach Magnus sei.
Der Jugendliche, auf den Magnus geschossen hatte, sei gestorben. Die gerichtliche Untersuchung dieses Todesfalls und des Todes seines älteren Komplizen würden auf die Zeit nach dem Lenahan-Prozess verschoben.
Die größte Neuigkeit betraf den Lenahan-Prozess selbst. Nach der Verzögerungstaktik der Verteidigung hätte der Richter letztlich die Geduld verloren und ihre Anträge abgelehnt, Tausende von E-Mails aus dem Polizeidezernat zu sichten. Außerdem sei ein anderer Mordprozess überraschend verlegt worden, sodass im Terminkalender des Richters eine Lücke entstanden war. Das alles ließ darauf schließen, dass der Prozess wahrscheinlich in der folgenden Woche beginnen würde. Magnus würde so früh wie möglich als Zeuge gebraucht werden: Das FBI hoffte, dass Lenahan auspacken würde, sobald Magnus ausgesagt hatte. Man würde ihm so schnell wie möglich seine Flugverbindung durchgeben. Der Zielflughafen sei noch nicht klar, Logan wäre es jedenfalls nicht. Das FBI würde in großer Zahl dort sein, um ihn in Empfang zu nehmen und zu einem sicheren Haus zu bringen.
Magnus tippte schnell eine Antwort; es wäre gut, bald wieder zu Hause zu sein. Was auch stimmte. Seiner Meinung nach war sein Wert für die isländische Polizei gleich null. Baldurs Beurteilung würde ebenfalls negativ ausfallen.
Er dachte an Colby
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