Magnus Jonson 02 - Wut
unter den schweren Wolken.
Björn stieg aus und sah nach, ob er Empfang hatte. Hatte er.
Er erledigte sein Telefonat und wollte gerade zur Hütte zurückkehren, als ihm etwas auffiel. Er hörte ein Auto. Als er nach unten sah, entdeckte er einen kleinen Wagen mit Schrägheck, der die mit Schlaglöchern gesäumte Straße hinauffuhr. So ein Fahrzeug war nicht robust genug, um den unbefestigten Weg zur Hütte zu bewältigen. Wahrscheinlich ein Tourist, der sich die Kerlingin ansehen wollte.
Björn beschloss, abzuwarten und zu beobachten.
Die Straße war ein Albtraum. Ísak staunte, dass sie jemals die Hauptverbindung nach Stykkishólmur gewesen war. Er bemühte sich, mit dem Honda den Kratern im Boden auszuweichen, doch es war unmöglich, sie vollständig zu meiden. Ächzend kämpfte sich der Wagen den Pass hinauf.
Er war nur noch rund zweihundert Meter entfernt, als er Björns roten Pick-up entdeckte. Björn stand an den Wagen gelehnt und sah ihm entgegen.
Schnell nachdenken.
Ísak ging vom Gas. Auf gar keinen Fall konnte Björn ihn bereits erkannt haben.
Er blieb stehen. Vollführte ein kreischendes Wendemanöver und tastete sich den Hang langsam wieder hinunter, so als habe er angesichts der schlechten Straßenverhältnisse aufgegeben.
Ísak fuhr langsam. Regelmäßig gingen seine Augen zum Rückspiegel, um den Pick-up hinter sich zu beobachten. Nach ungefähr einer Minute stieg Björn ein und kehrte um. Kurz darauf war sein Fahrzeug außer Sicht.
Ísak wartete noch eine Zeitlang, wendete erneut und folgte seinem Mitverschwörer.
Vorsichtig wagte er sich vor, stieg vor jeder Kurve aus, um zu Fuß um die Ecke zu spähen. Er wollte nicht, dass Björn seinen roten Honda plötzlich auf offener Fläche erblickte. Nachdem Ísak ungefähr eine halbe Stunde nur sehr langsam vorangekommen war, schob er den Kopf um einen Felsen und erblickte die Hütte. Sie stand allein auf einem Hügelchen in einem Tal, das von Stein, Fels, Moos und Wasser beherrscht wurde. Und Björns Pick-up parkte vor der Hütte.
In ihrer Kindheit hatte Harpa sehr oft Fischernetze entwirrt. Ihre Finger waren geschickt und kräftig, und sie wusste, wie Fischer Knoten schlugen.
Sie hatte genau zugesehen, als Björn das Seil um ihre Handgelenke und Knöchel band. Er wusste, was er tat. Den Knoten an den
Handgelenken bekam sie nicht zu fassen, und der an den Knöcheln wäre sehr schwer zu lösen. Sie nahm sogar an, dass Björn ein Messer brauchen würde, um ihn aufzuschneiden.
Sie konnte es nur versuchen. Harpa zerrte, zog und schob. Schließlich kam sie voran und spürte, dass sich der Knoten langsam lockerte. Doch als sie ihn gerade auseinanderziehen wollte, hörte sie Björns Pick-up näher kommen.
Harpa zögerte, dann zog sie den Knoten wieder zu.
Nächstes Mal.
37
Anna Ösk ließ ihr kleines Pony quer durch ihr Kinderzimmer galoppieren. Sie hatte das Pferdchen vor drei Wochen zum Geburtstag bekommen und spielte immer noch unablässig damit.
Ihre Mutter hatte gesagt, sie dürfte ein richtiges haben, wenn sie neun Jahre alt wäre. Ihr Vater war da eher skeptisch. Er machte sich Sorgen wegen des Geldes. Er machte sich ständig Sorgen ums Geld. Er war dumm. Mami hatte gesagt, sie wären reich. Das war doch klar, schließlich hatten sie ein ganz großes Haus mitten in Reykjavík, am Tjörnin-See.
Aber wenn sie ein Pony bekäme, könnten sie es nicht zu Hause halten. Angeblich war der Garten nicht groß genug. Das war auch Blödsinn. Der Garten war total groß, viel größer als der von Anna Ösks bester Freundin Sara Rós.
Anna Ösk hielt ihr Pferdchen vors Fenster, damit es in den Garten schauen konnte. Ihr Zimmer war im ersten Stock, ganz oben, sie hatte einen guten Ausblick. Von hier konnte man sehr schön sehen, wo man einen Stall hinbauen könnte, direkt in die Ecke, wo der kleine Baum stand.
Während Anna Ösk überlegte, wo genau der Stall stehen könnte, bemerkte sie eine Bewegung im Nachbargarten. Da kroch jemand durch die Büsche. Ein Mann. Er war nur schwer zu erkennen, aber Anna Ösk wusste, dass es nicht der Mann war, der nebenan wohnte. Sie fragte sich, ob er Verstecken spielte.
Sie nahm es an, denn er kroch zum Auto der Nachbarn, das oben in der Einfahrt stand, und rutschte darunter, bis er zur Hälfte verschwunden war.
Anna Ösk hielt Ausschau nach einem Kind. Erwachsene spielten
nie nur für sich Verstecken. Sie konnte kein Kind entdecken, war aber überzeugt, dass irgendwo eins sein musste. Wahrscheinlich vorm Haus,
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