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Magnus Jonson 02 - Wut

Magnus Jonson 02 - Wut

Titel: Magnus Jonson 02 - Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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mit ihm die Familie seiner Tante in Ólafsvík besucht. Benedikt hatte Todesangst gehabt. Es gab alle möglichen Geschichten über Búlandshöfði: Trolle, die Reisende ins Meer warfen. Verbrecher, die dort gehängt, Hexen, die gesteinigt wurden. Doch wirklich Angst machten ihm nicht die Geschichten, sondern der Pfad selbst, ein unglaublich schmaler Vorsprung, der in die Seite des Berges geschlagen war, Hunderte von Metern über dem Wasser.
    Es gab eine Geschichte über einen Vater und seinen Sohn, die auf gegenüberliegenden Seiten des Berges wohnten. Sie stritten sich oft und wurden erbitterte Feinde. Eines Tages trafen sich die beiden bei einem Ausritt an der Landspitze. Keiner von beiden wollte weichen, sie passierten einander im Trab. Wunderbarerweise rutschte keiner von beiden ab. Später merkten sie, dass die seitlich an ihrer Hose angebrachten Silberknöpfe abgerissen waren.
    Am Anfang des Aufstiegs befand sich ein Stein, auf den Benedikt bei seinem Aufbruch geklopft hatte, damit er ihm Glück brachte. Er wünschte sich, es wäre auch einer auf der anderen Seite, auf den er zu Beginn des Rückwegs klopfen könnte.
    Der Pfad wand sich immer höher hinauf. Wabernder Nebel nahm das Pferd und den Jungen in seinen stillen, klammen Griff. Benedikt war jetzt so hoch, dass er die Brandung unten an den Felsen nicht mehr hören konnte. Nur noch das Klappern der Hufe auf
den Steinen und das Tröpfeln von Wasser um ihn herum. Er betete zu Gott, dass ihm niemand aus der anderen Richtung entgegenkam.
    Er konnte nichts weiter tun, als sich darauf zu konzentrieren, das Gleichgewicht zu halten. Alles hing von Skjona ab, und die Stute hatte sich schon mehrmals den Weg über diese Strecke gebahnt.
    Unerbittlich stieg der Pfad an. Sie gelangten an einen Abschnitt, wo er stark ausgetreten war. Skjona löste mit dem Huf einen Stein, der polternd in die Tiefe fiel. Das Pferd hielt inne, schnaubte, bedachte den nächsten Schritt.
    Da hörte Benedikt ein Geräusch. Hufgetrappel. Ungefähr zehn Meter weiter war ein Felsvorsprung, hinter dem ein Pferd mit Reiter hervorkam.
    »Hallo!«, rief der Reiter.
    Benedikt erkannte die Stimme: Gunnar.
    »Bist du das, Benni?«
    »Ja, ich bin’s.«
    Gunnar trieb sein Pferd an, das sich seinen Weg über den ausgetretenen Boden suchte, und blieb nur wenige Meter vor Benedikt stehen.
    »Was machst du hier?«, fragte Gunnar in freundlichem Ton.
    »Ich war bei der Konfirmation meines Cousins in Ólafsvík.«
    »Ah ja, deine Mutter hat mir davon erzählt. Þorgils, nicht?«
    »Genau.«
    »Schön, mein Sohn«, sagte Gunnar. »Jetzt wird es etwas kompliziert.«
    Benedikt zuckte zusammen. Er konnte es nicht ausstehen, wenn Gunnar ihn »mein Sohn« nannte. Zu seiner Wut gesellte sich Angst.
    »Skjona muss rückwärts gehen. Nur ein bisschen. Ein paar Meter, dann können wir aneinander vorbei.«
    »Aber hinten kann sie nichts sehen«, protestierte Benedikt. »Da stolpert sie.«

    »Nein, tut sie nicht. Das schafft sie schon. Sei einfach ganz vorsichtig. Mach ihr keine Angst.«
    Doch Benedikt war gelähmt vor Angst. »Ich kann nicht. Du musst zurückgehen.«
    »Das geht nicht«, sagte Gunnar. »Ich habe einen viel längeren Weg vor mir. Los, komm! Es sind nur fünf Meter. Wenn wir uns hier aneinander vorbeiquetschen, fällt einer von uns runter.«
    Auf einmal wusste Benedikt, was er zu tun hatte. Er nahm all seinen Mut zusammen und ruckte vorsichtig an den Zügeln. Skjona legte die Ohren an, ging aber einige Schritte rückwärts. Noch ein Stein löste sich, polterte die Klippe hinunter und verschwand in der Wolke.
    »Genau so«, sagte Gunnar mit ruhiger, ermutigender Stimme. »So ist’s richtig, Benni. Das macht sie gut. Du hast es fast geschafft.«
    Tatsächlich befanden sich Skjona und Benedikt wieder auf dem befestigten Weg. Er war gerade breit genug, dass zwei Pferde aneinander vorbeigehen konnten.
    »Gut, jetzt bleib stehen!«, rief Gunnar. Sanft trieb er sein eigenes Pferd an. Vorsichtig ging es außen an Benedikt vorbei.
    Kurz zögerte der Junge. Er wusste, dass das, was er in den nächsten zwei, drei Sekunden täte, sein Leben für immer verändern würde.
    Er zog den linken Fuß aus dem Steigbügel. Setzte ihn vorsichtig an die Flanke von Gunnars Pferd.
    Und stieß zu.

    Samstag, 19. September 2009

    Er parkte sein Fahrzeug am Rande des Wegs, der sich im Nichts verlor, nahm den formlosen Leinensack vom Vordersitz neben sich und stieg über eine Trift zum Berg hinauf.
    Er war drei Kilometer von der

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