Magnus Jonson 02 - Wut
Harpas Schultern zu bemerken. »Ich habe dir schon gesagt, dass ich nichts über den Mord an Óskar weiß.« Ihr englischer Akzent war gut: britisches Englisch.
»Ja, das hast du mir erzählt«, sagte Magnus. »Es ist nur so: Wir wissen, dass du vor vier Jahren auf einer Party in London Óskar kennengelernt hast.«
»Ah«, machte Harpa. »Ja, klar, hab ich. Damals arbeitete ich für unsere Londoner Niederlassung. Unser Abteilungsleiter dort feierte ziemlich gern. Mit Sicherheit war auch Óskar auf ein oder zwei Partys.«
»Ich habe mit María Halldórsdóttir gesprochen«, sagte Magnus. »Sie war der Meinung, du hättest dich auf einer dieser Partys sehr gut mit Óskar verstanden.«
»Das ist nur Geschwätz«, sagte Harpa. »Es war nichts dahinter. María war eifersüchtig, mehr nicht. Sie bildet sich das ein.«
Magnus erwiderte nichts.
»Was ist?«, fragte Harpa. »Was ist denn? Glaubst du mir etwa nicht? Ich wäre doch nicht so dumm, eine Affäre mit meinem Chef anzufangen.«
Magnus entspannte sich und grinste. »Nein, natürlich nicht. Hast du übrigens ein Bild von deinem Sohn dabei?«
»Ja«, sagte Harpa. »Auf dem Handy.« Sie holte ihr Telefon hervor und suchte nach dem Foto. Plötzlich hielt sie inne und wollte den Apparat wieder verstauen. »Ich bin mir nicht sicher«, sagte sie. »Hab mich wohl geirrt. Ich habe doch kein Bild von ihm.«
»Bitte, Harpa«, sagte Magnus. »Du kannst vor uns nicht verbergen, wie er aussieht. Markús heißt er, oder? Zeig es uns einfach!«
Harpa drückte auf den Tasten des Handys herum und zeigte ihnen das Bild eines kleinen Jungen mit einem Fußball an einem schwarzen Strand.
Magnus holte ein Foto aus der Tasche und legte es neben das Telefon. Trotz des Altersunterschieds war ziemlich deutlich, dass Óskar Gunnarsson und Markús Hörpuson verwandt waren. Die gleiche Kerbe im Kinn. Die gleichen großen braunen Augen.
Harpa ließ die Schultern sinken.
»Wusste Óskar es?«, fragte Magnus.
Harpa schüttelte den Kopf. »Ich habe es ihm nie erzählt. Ich habe Wert darauf gelegt, dass er Markús nicht kennenlernte. Ich wollte nicht, dass er es erfuhr.«
»Warum nicht?«
»Es war wirklich nur eine Nacht gewesen. Ich war betrunken. Er ebenfalls. Ich will damit nicht sagen, dass er sich mir aufdrängte oder so, aber es war ein Fehler. Wir haben nie wieder darüber gesprochen. Die ersten Male, als wir uns danach wieder geschäftlich trafen, war es unangenehm, aber dann gelang es uns, zur Tagesordnung überzugehen, und dadurch wurde es leichter. Natürlich nur, bis ich merkte, dass ich schwanger war.«
»Vermutete er, dass er der Vater war?«
»Möglich. Wir sprachen aber nie darüber. Wir kannten uns wirklich nicht besonders gut, er hatte keine Ahnung, wie mein Intimleben aussah. Es war nicht besonders aufregend, aber das konnte er ja nicht wissen.«
»Aber als du deine Arbeit verlorst, warst du da nicht versucht, Óskar um Geld zu bitten?«, fragte Magnus.
»Nein«, erwiderte Harpa. »Ich wollte nicht, dass Markús Óskar zum Vater hat, wie reich er auch sein mochte. Wir hatten nichts miteinander zu tun. Und ich wollte meinen Sohn auch wohl nicht mit einem Mann teilen, den ich kaum kannte.« Sie beugte sich vor. »Erzähl bitte niemandem davon. Ich möchte nicht, dass Óskars Eltern erfahren, dass sie Großeltern sind. Es klingt vielleicht gemein, aber ich will keine Menschen in Markús’ Leben holen, die ich nicht kenne.«
»Fürs Erste bin ich still«, sagte Magnus. »Aber für später kann ich nichts versprechen. Das hängt davon ab, was bei dieser Ermittlung herauskommt.«
»Da kommt nichts heraus«, sagte Harpa trotzig.
»In dem Fall hast du auch nichts zu befürchten«, gab Magnus zurück.
»Sie wurden von der Ódinsbanki vor die Tür gesetzt, nicht wahr?«, fragte Sharon.
»Ja«, bestätigte Harpa.
»Hielten Sie Óskar für verantwortlich?«
»Nein. Jedenfalls nicht direkt.«
»Was meinen Sie damit: nicht direkt?«
»Nun, er kümmerte sich um die Expansion der Bank. Er ließ sie zu schnell wachsen, lieh sich zu viel Geld auf dem Rentenmarkt. Deswegen ging sie schließlich pleite, deshalb verlor ich meine Arbeit.«
»Wen hältst du denn für direkt verantwortlich?«, wollte Magnus wissen.
Harpa hielt seinem Blick stand. Dann schloss sie die Augen. »Oje, jetzt ist es so weit.«
»Gabríel Örn?«
Harpa nickte. »Das habe ich schon gesagt.«
Magnus warf Sharon einen kurzen Blick zu. Es war noch zu früh, um Harpa nach allen Regeln der Kunst zu
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