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Magnus Jonson 02 - Wut

Magnus Jonson 02 - Wut

Titel: Magnus Jonson 02 - Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Stimme. »Bumst du meine Mutter? Ich will mit ihr reden!«
    »Moment.« Er legte seine Hand auf den Apparat. »Sharon? Dein Sohn ist dran.«
    Sie schlug die Augen auf. »Sag ihm, er kann mich morgen früh wieder sprechen.« Dann schloss sie die Augen wieder.
    »Gute Nacht, Charlie«, sagte Magnus. »Schlaf gut.«

13
    Mai 1940

    Die Sonne schien über Ólafsvík, als Benedikt auf seinem Pferd Skjona die Stadt verließ und zurück nach Hraun ritt. Er hatte seine Familie bei der Konfirmation seines Cousins Þorgils vertreten – seine Mutter konnte es sich nicht leisten, den Hof auch nur einen Tag zu verlassen.
    Das einzige Thema in Ólafsvík war die Invasion der Briten eine Woche zuvor gewesen. Die Meinungen waren geteilt. Manche fanden, es sei immer noch besser, dass die Briten einmarschierten als die Deutschen. Andere wollten nicht einsehen, warum Island nicht außen vor gelassen werden konnte, man sah keinen Grund, sich an einem Krieg zu beteiligen, der auf einem tausend Kilometer entfernten Kontinent ausgetragen wurde. Doch alle hofften auf einen Aufschwung ähnlich dem beim Krieg des Kaisers. Die Preise für Fisch, Wolle und Lammfleisch stiegen bereits, und man war der Meinung, dass die isländischen Exporte durch die Anwesenheit der Briten geschützt würden.
    Natürlich hatte noch niemand tatsächlich einen britischen Soldaten gesehen. Sie waren zweihundert Kilometer entfernt in Reykjavík. Benedikt lächelte in sich hinein. Er konnte sich vorstellen, wie Hallgrím sich bereitmachte, jeden britischen Eindringling zu bekämpfen, der das Lavafeld vor Bjarnarhöfn überqueren wollte.
    Hallgrím und Benedikt, inzwischen sechzehn und vierzehn Jahre alt, sprachen kaum noch miteinander. Sie behandelten sich höflich, besonders in Gegenwart ihrer Familien, doch hatten sie im Winter aufgehört, zusammen zu spielen. Gunnar, Hallgríms
Vater, kam oft zu Besuch nach Hraun. Er war ein guter Nachbar für Benedikts Mutter, half insbesondere dabei, kleine Ausbesserungsarbeiten zu erledigen. Wenn er etwas reparierte, legte er Wert darauf, es Benedikt zu erklären. Benedikt hasste das. Er wusste, dass es viele wichtige Fähigkeiten gab, die er von Gunnar lernen konnte, aber er konnte in dem Nachbarn einfach keinen hilfsbereiten Onkel sehen.
    Lieber unterhielt er sich mit Hallgríms Mutter, doch die wurde deutlich seltener in Hraun gesehen.
    Benedikt ritt mit Skjona hinunter zum Strand und begann zu galoppieren. Beschwingt preschten Pferd und Reiter durch die Brandung und den schwarzen Sand. Einige Kilometer vor ihnen erhob sich Kap Búlandshöfði, eine gewaltige grasbewachsene Felsnase, die ins Meer ragte. Eine große Wolke verhüllte den oberen Teil des Bergs und schien ins Wasser hinunterzurutschen.
    Benedikt ritt wieder hoch zum Weg und zur Brücke über den Fluss Fróðá. Hier hatte Þurid gelebt, die schöne Frau, die Björn von Breiðavík vor tausend Jahren umworben hatte. Derselbe Björn, der dem großen Stammesführer Snorri getrotzt hatte und unter den Skrælingern in Amerika geendet war.
    Benedikts Vater war nicht geflohen. Er lag noch immer auf dem Grund des Schweinesees, zumindest seine Knochen.
    Weder Benedikt noch Hallgrím hatten jemandem erzählt, was sie an jenem Tag gesehen hatten.
    Benedikt wusste, dass es falsch von seinem Vater gewesen war, seine Mutter zu betrügen, aber er warf es ihm nicht vor. Seiner Mutter war der Mann genommen worden, das war viel schlimmer. Sie war eine robuste Frau und hatte sich gut gehalten. Es gab viele Witwen in Island, viele Ehemänner verloren ihr Leben auf dem Meer, einige in den Mooren. Sie waren vier Kinder, und Benedikt und Hildur, seine ältere Schwester, hatten der Mutter so gut wie möglich geholfen. Dennoch war Benedikt kein geborener Bauer wie Hallgrím oder sein Vater.
    Das war alles Gunnars Schuld.

    Es war seltsam: In den zwei Tagen, die Benedikt bei seiner Tante und seinem Onkel in Ólafsvík wohnte, konnte er Gunnar völlig vergessen. Der Zorn, der unentwegt in ihm zu brodeln schien, war verschwunden.
    Doch nun, da er die Fróðá sah, Schauplatz jener anderen Verführung vor so vielen Jahrhunderten, kehrte seine Wut zurück.
    Mit gewisser Sorge begann er, den Pfad am Rand von Kap Búlandshöfði hinaufzusteigen. Er hatte nun die Sonne im Rücken, und nur wenige Meter über ihm hing eine Wolke.
    Benedikt musste daran denken, wie er das erste Mal über den schmalen Weg an Búlandshöfði entlanggeritten war. Im Sommer vor dem Tod seines Vaters hatte er zusammen

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