Magnus Jonson 02 - Wut
noch nie zuvor passiert. Er trinkt manchmal was, wenn er am Wochenende mit seinen Freunden unterwegs ist, aber er hat noch nie irgendwo Streit gehabt. Das muss die Aufregung von der Demonstration gewesen sein.«
»Was ist mit Björn Helgason, einem Fischer aus Grundarfjörður? Kennt er den?«
»Das bezweifle ich stark«, sagte Aníta. »Ein oder zwei seiner alten Schulfreunde mögen Fischer geworden sein, aber Ísak hat noch nie von einem erzählt, der nach Grundarfjörður gegangen wäre.«
Und Björn Helgason war gute zehn Jahre älter als Ísak, überlegte Magnus. »Und Óskar Gunnarsson? Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Ódinsbanki? Er lebte im vergangenen Jahr in London.«
»Der Banker, der letzte Woche ermordet wurde?«
Magnus nickte.
»Ich dachte, du wolltest etwas über den Selbstmord des anderen Bankers wissen? Du denkst doch nicht, dass Ísak etwas mit dem Mord an dem Mann zu tun hat, oder?«
Die Sorge in ihrer Stimme war deutlich vernehmbar.
»Nein«, sagte Magnus. »Ganz bestimmt nicht. Ich versuche nur, Verbindungen herzustellen, mehr nicht.«
»Also, die Antwort auf die Frage lautet: nein. Mein Sohn hat nie von Óskar Gunnarsson gesprochen.«
Magnus fand, es sei an der Zeit, zum Ende zu kommen. Als er sich zum Gehen wandte, erhellte sich plötzlich Anítas Gesicht. Bisher hatte sie die ganze Zeit die Stirn gerunzelt. »Ach, da wäre noch was. Ísak war diese Woche hier. Er kam am Montag und ist gestern wieder zurück nach London geflogen. Óskar Gunnarsson wurde Anfang der Woche ermordet, oder?«
»Stimmt. Dienstagabend.«
»Das bedeutet, Ísak kann damit nichts zu tun haben.«
»Das habe ich nie behauptet«, sagte Magnus entschuldigend.
»Vielleicht nicht, aber gedacht hast du’s schon, oder?«
Als Magnus Hafnarfjörður verließ, dachte er über Ísak nach. Es war ein sonderbarer Zufall, dass er ausgerechnet in London studierte. Magnus war sich relativ sicher, dass Ísaks Mutter wirklich keine Ahnung von einer Verbindung zwischen ihrem Sohn und Óskar hatte und er tatsächlich in Island gewesen war, als Óskar erschossen wurde. Aber sie irrte sich, wenn sie glaubte, dass er deshalb nichts damit zu tun haben konnte. Möglicherweise hatte er nicht abgedrückt, aber es war durchaus möglich, dass er mit der Person in Kontakt stand, die es getan hatte.
Harpa hatte definitiv ein Verhältnis mit beiden toten Bankern gehabt. In Ísaks Fall waren die Bande deutlich dürftiger, doch noch auffällig genug, um Magnus’ Interesse zu wecken. Die nächste Person, die er überprüfen musste, war Björn Helgason.
Magnus hatte das Protokoll von Björns Befragung bei sich im Wagen. Es waren rund drei Stunden Fahrt von Hafnarfjörður nach
Grundarfjörður, aber es war Samstag, und Magnus hatte nichts Besseres vor. Zuerst beschloss er jedoch, Björns Bruder Gulli einen Besuch abzustatten, bei dem Harpa und Björn in der Nacht von Gabríel Örns Tod geschlafen hatten.
Nach einem weiteren Blick in Árnis dürftige Notizen fuhr Magnus zu der Adresse in Vesturbær, direkt hinter der katholischen Kathedrale. Er parkte vor einem kantigen grauen dreistöckigen Gebäude und drückte auf die Klingel mit der Beschriftung »Gulli«. Keine Reaktion.
Als er es ein zweites Mal versuchte, trat eine junge Frau in Jogginghose und Kapuzenshirt heran und holte ihren Hausschlüssel hervor.
Magnus stellte sich ihr vor. »Kennst du Gulli Helgason, der in Wohnung Nummer drei wohnt?«, fragte er.
»Ja, sicher kenne ich Gulli«, sagte sie. »Was hat er angestellt?«
»Nichts«, erwiderte Magnus, und sofort war sein Misstrauen geweckt. »Bekommt er oft Besuch von der Polizei?«
»Nein, nein«, gab die Frau zurück. Sie war verwirrt. »Ganz und gar nicht. Er ist wirklich ein netter Kerl. Kann gut Sachen reparieren. Hilft den Nachbarn, besonders der alten Dame im Erdgeschoss.«
»Weißt du vielleicht, wann er zurückkommt?«, fragte Magnus.
»Nein. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er im Urlaub ist. Ich habe ihn schon mehrere Tage nicht gesehen, und sein Van steht schon eine Weile an derselben Stelle. Wurde nicht benutzt.«
Sie wies mit dem Kinn auf einen blauen VW-Transporter, auf dessen Seitenfläche der Name Gulli Helgason und eine Telefonnummer standen.
»Er ist Innenausstatter, oder?«
»Ja. Früher hatte er sehr viel zu tun, jetzt nicht mehr. Die kreppa .«
»Klar«, sagte Magnus. Maler und Inneneinrichter musste die Krise stark getroffen haben, dachte er. »Danke für die Auskunft.«
Nach Árnis
Weitere Kostenlose Bücher