Magnus Jonson 02 - Wut
neun.«
»Ein bisschen früh für einen Sonntag, was?«
»Ich muss bald los. Ich muss noch mal hoch nach Grundarfjörður.«
Ingileif setzte sich auf, lehnte den Rücken gegen das Kopfkissen und trank einen Schluck Kaffee. »Noch mal?«
»Da wir jetzt wissen, dass Harpa Óskar im Sommer in London getroffen hat, ist es noch wichtiger, ihren Freund zu überprüfen. Falls er da ist. Bevor ich losfahre, rufe ich den Kollegen oben an, um sicherzugehen, dass Björn auch zu Hause ist.«
»Kann ich mitkommen? Wir könnten anschließend spazieren gehen. Ich könnte mir mal Bjarnarhöfn ansehen, wenn auch nur aus der Ferne. Oder wir könnten Unnur besuchen und mit ihr über Benedikt Jóhannesson sprechen. Natürlich nur, wenn du willst.«
»Weiß nicht«, sagte Magnus.
»Ach, komm! Du hast mir letztes Frühjahr geholfen, als ich damit klarkommen musste, was ich über den Tod meines Vaters erfuhr. Ich würde das auch gern für dich tun.«
Die Aussicht, den Schauplatz der Grausamkeiten seiner Kindheit zu besuchen, erfreute Magnus nicht besonders. Ingileif mochte recht haben: Vielleicht wäre es erträglicher, wenn sie ihn begleitete.
»Aber du musst versprechen, dass ich Björn allein befragen kann.«
»Versprochen.«
Magnus lächelte. »Gut. Ich frage zuerst bei der Polizei in Grundarfjörður nach, dann können wir losfahren.«
Als sie gen Norden aufbrachen, schien die Sonne aus einem blassblauen Himmel. Ingileif legte eine Beethoven-Symphonie in den CD-Spieler, herrliche Musik für eine Fahrt durch die isländische Landschaft, wie sie sagte. Sie hatte recht. Magnus kannte sich mit Klassik so gut wie gar nicht aus, aber Ingileif war eine gute Lehrerin.
Páll, der Constable von Grundarfjörður, hatte bestätigt, dass Björns Motorrad und sein Pick-up in der Einfahrt standen, auch wenn im Haus kein Licht brannte. Magnus bat den Kollegen, das Haus diskret zu beobachten, bis er dort eintraf. Falls Björn das Haus verließ, wollte Magnus wissen, wohin er ging.
Als sie den Pass an der Nordseite nach Breiðafjörður hinunterfuhren, wies Magnus auf das Berserkjahraun und Bjarnarhöfn.
»Ist das eine kleine Kirche, da unten am Meer?«, fragte Ingileif.
»Ja, die ist winzig«, erklärte Magnus. »Nicht viel größer als ein Schuppen.«
»Süß. Und warum heißt es Bjarnarhöfn?«
»Der Bauernhof ist benannt nach Björn aus dem Osten«, sagte Magnus. »Dem Sohn von Ketill Plattnase, dem ersten Siedler in dieser Gegend.«
»Ich erinnere mich«, sagte Ingileif. »Aber es ist schon lange her, dass ich die Eyrbyggja gelesen habe.«
Ingileif hatte an der Universität isländische Literatur studiert und kannte die Sagas fast so gut wie Magnus. »Und hier haben die schwedischen Berserker sich ihren Weg hineingeschlagen?«
»Ja. Es gibt bis heute den Steinhügel, unter dem sie begraben wurden.«
»Cool! Auf dem Rückweg können wir ja dort halten.«
»Mal sehen«, sagte Magnus.
Ingileif bemerkte die vorsichtige Zurückhaltung in seiner Stimme. »Lebt dein Großvater noch auf dem Hof?«
»Ja. Mein Onkel Kolbeinn bewirtschaftet ihn jetzt, aber meine Cousine meinte, mein Großvater würde dort immer noch mit meiner Großmutter wohnen.«
»Und du willst ihm nicht über den Weg laufen.«
»Nein. Will ich nicht.«
Sie fuhren weiter nach Grundarfjörður. Einen Kilometer vor der Stadt hielt Magnus am Ufer eines geschützten Fjords und rief Constable Páll an. Die Sonne schimmerte auf dem stillen grauen Wasser.
Páll meldete sich beim ersten Klingeln. Björn war wohl mit seinem Pick-up nach unten zum Hafen gefahren und arbeitete dort an einem Boot. Magnus durchquerte die Stadt und parkte vor dem Polizeirevier, das nur wenige Meter vom Hafen entfernt war. In Uniform wartete Páll auf ihn.
Magnus stellte Ingileif vor. »Ich mache einen kleinen Spaziergang durch die Stadt«, sagte sie. »Ruf mich an, wenn du fertig bist.«
Magnus war froh, den Kollegen bei sich zu haben. Formalrechtlich befand er sich immer noch ein wenig im Niemandsland, da er die Polizeiakademie noch nicht abgeschlossen hatte. Außerdem wollte er, dass Páll sich Notizen machte. Falls Björn ihnen nützliche Informationen lieferte, sollte er sie nicht anschließend von einem Anwalt in Frage stellen lassen können.
Páll tat ihm den Gefallen nur zu gern.
Im Hafen lagen einige Boote von unterschiedlicher Größe. Für eine Kleinstadt gab es eine ansehnliche Fischereiindustrie – mehrere
große Gebäude zur Verarbeitung von Fisch, ein Markt,
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